Themen Im Fokus
Wissen

«Sprache trägt dazu bei, unsere Kommunikation zu schärfen. Wer das ignoriert, verpasst eine Chance.»

12.04.16


Weshalb jedes Unternehmen eine einheitliche Unternehmenssprache haben sollte: Norbert Winistöfer*, Professor für Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz, über die Wichtigkeit einer Corporate Language.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr Winistörfer, vor gut zehn Jahren kamen Sie nach einer Umfrage unter Schweizer Firmen zum Schluss: «Unternehmen ignorieren die Macht der Sprache». Würde eine erneute Untersuchung heute ähnliche Ergebnisse erzielen?

15 Jahre lang habe ich das nebenberufliche Masterprogramm MAS Corporate Communication Management für Kommunikationsprofis an der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz geleitet. Dabei stellte ich fest: Die Bedeutung und das Wirkungspotenzial einer einheitlichen Unternehmenssprache wird zunehmend erkannt. Das Problem ist eher: Es mangelt an den Voraussetzungen.

Wie meinen Sie das?

Will ich mir als Unternehmen eine Corporate Language zulegen, muss es Kommunikationsziele geben. Im Sinne von: Für was stehen wir? Wie positionieren wir uns? Wie wollen wir wahrgenommen werden? Diese Grundfesten müssen definiert sein, bevor ein Sprachkonzept erstellt werden kann. Hier jedoch sehe ich in vielen Unternehmen unglaubliche Lücken. Denn sind die Ziele nicht klar, bringt auch ein Sprachkonzept nichts.

Sprache hilft, Marken zu schärfen

Weshalb ist eine einheitliche Sprachkultur für Unternehmen so wichtig?

Die Sprache hilft, meine Marke zu schärfen, mich deutlicher zu positionieren. Es ist ähnlich wie in der Rhetorik: Ein brillanter Redner, der sämtliche rhetorische Kniffe kennt und sie auch anwendet, zieht die Zuhörer in Bann. Eine stimmige Unternehmenssprache wiederum lässt sich mit wohlüberlegten Texten erreichen: Sich bewusst machen, in welchem Stil kommuniziert wird, um beim Rezipienten die grösste Wirkung zu erzielen.

Was ist der erste Schritt zur Corporate Language?

Zunächst arbeiten Unternehmen oft mit Textbausteinen in der Korrespondenz. Auch einen Leitfaden mit konkreten Anweisungen über Stil und Terminologie haben viele Firmen bereits erstellt – allerdings meist ohne diesen konkret umzusetzen. Das höchste Level in Sachen Corporate Language ist erreicht, wenn sich Unternehmen fragen: Kommen die von uns gepflegten Unternehmenswerte in unseren Texten durch?

Wie muss man sich eine stimmige Unternehmenssprache konkret vorstellen?

In Sachen Tonalität und Auftritt darf es keine Diskrepanz zwischen Mailing, Website oder Plakat eines Unternehmens geben. Nicht nur das Logo muss jeweils identisch sein, auch die Sprache. Es ist eine Frage der Haltung und des Stils: Der Text transportiert, was dem Unternehmen wichtig ist. So kann etwa eine alteingesessene und eher konservative Privatbank in ihrer Sprache sehr formell daher kommen. Sie beginnt die Korrespondenz in Briefen mit «Sehr verehrte» und endet mit «hochachtungsvoll». In diesem Fall wäre eine Werbekampagne mit frechen, flapsigen Sprüchen ein Stilbruch.

Eine einheitliche Unternehmenssprache wird bald Standard sein

Dies setzt jedoch voraus, dass Ziele festgelegt und Mitarbeiter geschult werden.

Genau. Und zwar alle. Verwendet zum Beispiel der CEO in einem Interview eine ganz andere Sprache und spricht mit gestelzten Formulierungen über die Köpfe hinweg, kollabiert die Corporate Language. Die UBS ist ein gutes Beispiel für eine Firma, die die Messlatte in diesem Bereich sehr hoch gelegt hat. Auch die SBB ist in Sachen einheitliche Unternehmenssprache bereits gut dabei; Mobility beginnt nun ebenfalls.

Wo stehen wir in Sachen Corporate Language in fünf Jahren?

Bis dahin wird eine einheitliche Unternehmenssprache fast überall Standard sein. Konsequent umgesetzt, entfaltet dies für Firmen eine ungeheure Dimension. Hundertprozent realisieren lässt sich Corporate Language zwar nie, doch allein die dahinter stehende Haltung zählt. Schliesslich trägt Sprache dazu bei, unsere Kommunikation zu schärfen und Marken und Produkte besser zu vermarkten. Wer das ignoriert, verpasst eine Chance.


Zur Person

*Norbert Winistörfer arbeitet seit dem Jahr 2000 als Dozent für Unternehmenskommunikation an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Er lancierte 2001 das MAS «Corporate Communication Management» - das im deutschen Sprachraum nach wie vor einzige nebenberufliche Masterprogramm für Integriertes Kommunikationsmanagement. Neben der Leitung dieses Masterprogramms (bis 2015) baute er in verschiedenen Leitungsfunktionen das heutige Kompetenzzentrum für Integriertes Kommunikationsmanagement auf. Dieses umfasst eine breite Palette an Weiterbildungsprogrammen sowie Forschungs- und Beratungstätigkeiten in der Kommunikation.

PS: Warum selber machen, wenn es Profis gibt? etextera unterstützt Sie beim Texten, Gestalten und Umsetzen Ihrer Kommunikationsprojekte. Sprechen Sie mit uns.