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«Lesen Frauen in einer Stellenanzeige ‹du bist Teamleiter› statt ‹du leitest ein Team›, steigen viele aus»

18.12.16


Wie muss ein Jobinserat verfasst sein, damit Frauen sich angesprochen fühlen? Christin Graf, Talent Akquisition Manager bei Swisscom, findet: Bewusster formulieren lohnt sich für Unternehmen.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Frau Graf, weshalb ist eine Geschlechter integrierende Sprache gerade in Stelleninseraten so wichtig?

Stellenanzeigen sind ein Aushängeschild für Unternehmen. Sie haben grossen Einfluss darauf, wer sich um angebotene Stellen bewirbt. Studien zeigen, dass eine auf Männer zugeschnittene Sprache in der Ausschreibung Frauen eher davon abhält, sich zu bewerben. Bei Swisscom legen wir grossen Wert auf Vielfalt und haben uns im Rahmen von Diversity das Ziel gesetzt, den Frauenanteil im Management mittelfristig zu erhöhen. Aus diesem Grund achten wir besonders auf eine geschlechtsneutrale Sprache in unseren Inseraten.

Inwiefern reagieren Frauen und Männer unterschiedlich auf Formulierungen in Stellenanzeigen?

Männer sehen die Unterschiede oft gar nicht, Frauen hingegen nehmen die Feinheiten in Bezug auf eine «faire Sprache» sehr wohl wahr. Zum Beispiel kann eine kompetitiv formulierte Sprache eher abschreckend auf Frauen wirken, während Begriffe wie «Teamarbeit» und «Entwicklung» eher positive Reaktionen auslösen.

Männliche Begriffe vermeiden

Was heisst das konkret?

Zum einen geht es um geschlechtsneutrale Ausdrücke wie zum Beispiel den Begriff «Fachperson» zu verwenden statt «Spezialist». Oder von «Mitarbeitenden» statt von «Mitarbeitern» zu sprechen. Zum anderen versuchen wir typisch männliche Begriffe zu vermeiden, beispielsweise die Formulierung «du bist ein Crack». Davon fühlen sich Frauen eher nicht angesprochen. Wir haben einen ganzen Katalog mit Formulierungen entwickelt, die wir in Stelleninseraten vermeiden. Auf den ersten Blick scheinen dies Kleinigkeiten zu sein, tatsächlich aber entfaltet die bewusst eingesetzte Sprache grosse Wirkung.

Was steht noch auf Ihrer «Zu vermeiden»-Liste?

Begriffe wie «Profi» oder «Experte» oder «glänzen», «brillieren», «allen davon ziehen». Auch «zielstrebig», «selbstständig», «direkt», «analytisch», «entschlossen» oder «Leistung» sind eher männliche Worte.

Und was kommt bei Frauen besser an?

«Wir schätzen dich», «dank deiner Erfahrung», «zusammen mit deinem Team», «dein Wissen ist gefragt». Auch «engagiert», «verantwortungsvoll», «kontaktfreudig», «unterstützen», «gewissenhaft», «vertrauensvoll» oder «loyal» – dies sind alles Formulierungen, die auch Frauen ansprechen.

Ziel ist es, Interessentinnen neugierig zu machen

Das klingt ziemlich stereotyp.

Es mag sicher Frauen geben, die sich von männlichen Begriffen nicht abschrecken lassen oder sich sogar angesprochen fühlen. Bei einem Grossteil ist dies jedoch nicht der Fall, wie Studien zeigen. Unser Ziel ist es, die Mehrheit der Interessentinnen zu begeistern und neugierig zu machen. Lesen Frauen in der ersten Zeile «du bist Teamleiter» statt «du leitest ein Team», steigen viele aus, noch bevor sie das Inserat zu Ende gelesen haben.

Zeigt Ihre Geschlechter integrierende Sprache in Stelleninserate bereits Wirkung?

Ja, der Erfolg gibt uns Recht: Wir freuen uns über einen Anstieg weiblicher Bewerbungen.

Wie geht es weiter?

Die Geschlechter integrierende Sprache ist nur ein Baustein von vielen, mit denen wir unsere Attraktivität als Arbeitgeberin für Frauen verbessern wollen. Mentoring für Frauen, flexible Arbeitsformen und -modelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung gehören genauso dazu wie diverse Möglichkeiten zum Austausch und Networking. Wir achten natürlich auch intern darauf, eine Sprache zu verwenden, die geschlechtsneutral ist – das gilt auch für die Bildsprache. So arbeiten wir auf unserer Website bewusst mit geschlechtsneutralen Bildern und zeigen viele Fotos von echten Swisscom Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der geschlechtsintegrierenden Sprache in Inseraten bleiben wir jedenfalls treu: Die positiven Rückmeldungen haben uns überzeugt.

Zur Person
*Christin Graf ist seit über zehn Jahren im HR-Umfeld tätig und bringt bei Swisscom als Talent Akquisition Manager die richtigen Menschen an den richtigen Ort. Sie hat ihr Thema gefunden und brennt für HR und Recruiting. Speziell die Themen Diversity und neue Formen des agilen Zusammenarbeitens unterstützt sie aktiv in ihrer Arbeit.

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