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«Neue Chefs sollten ihr Ego etwas zügeln.»

24.08.17

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Wer als Vorgesetzter neu in ein Unternehmen kommt, will frischen Wind reinbringen. Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Belegschaft mitzieht. Wie das gelingt und wo die Stolpersteine liegen, weiss der Coach Bob Schneider*.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr Schneider, wie gewinne ich als (neue) Vorgesetzte meine Mitarbeitenden für mich?

Seien Sie authentisch! Die Belegschaft merkt schnell, wenn Sie etwas vorspielen, was Sie nicht sind. Es geht darum, Vertrauen aufzubauen, akzeptiert zu werden und ein gutes Klima zu schaffen. Auch Wertschätzung und Respekt sind zentral – gegenüber den Mitarbeitenden, aber auch gegenüber ihren Leistungen. Dies kann sich in Details zeigen oder etwa darin, dass der neue Chef nicht sofort alles über den Haufen wirft, sondern sagt: «Was ihr in der Vergangenheit gemacht habt, ist grundsätzlich gut.»

Tatsächlich verfallen viele neue Chefs in einen regelrechten Aktionismus.

Das stimmt, viele wollen sofort Spuren hinterlassen. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Wer aber Firma und Mitarbeitende noch nicht kennt, sollte nicht sofort damit loslegen, sondern zuwarten, bis er sich ein realistisches Bild verschafft hat. Neue Chefs sollten also zunächst ihr Ego etwas zügeln. Gleichzeitig ist wichtig, dass Neue autonom handeln: zeigen, dass sie selbst denken und bereit sind, sich zu positionieren.

Wie meinen Sie das?

Viele CEO tendieren dazu, das zu sagen, was die Belegschaft vermeintlich hören will. Doch das ist schlecht. Zu antworten: «Das muss ich mir erst noch überlegen», ist viel glaubwürdiger und authentischer. Auch Responsible Leadership ist wichtig – im Sinne von Verantwortung übernehmen für zukünftige Generationen, also Risiken und Chancen nicht nur aufs Jahr 2017 beziehen, sondern die möglichen Folgen unternehmerischer Entscheide auch in einer langfristigen Perspektive betrachten.

Womöglich haben sich auch Interne auf die Stelle beworben und sind nun frustriert.

Worin liegen die grössten Schwierigkeiten, wenn ein neuer Chef das Ruder übernimmt?

Das kommt vor allem auf die Vorgeschichte an. Kennt ein Neuer diese nicht und weiss etwa nicht, weshalb sein Vorgänger gegangen ist, wirds schwierig. Übernimmt ein Externer die Leitung, muss er sich zudem damit auseinandersetzen, dass sich vielleicht auch Interne auf die Stelle beworben haben und nun womöglich frustriert sind.

Wie gehe ich als Vorgesetzte mit einem internen Mitarbeiter um, der meinen Posten ebenfalls gerne gehabt hätte?

Das ist eine Frage der Balance. Seien Sie empathisch, gehen Sie auf den anderen zu, sagen Sie offen: «Ich verstehe, dass das eine blöde Situation ist.» Gleichzeitig müssen Sie klarmachen: «Ich bin nun die Chefin.» Der andere muss letztlich akzeptieren, dass er nicht zum Zug gekommen ist. Ein, zwei Monate kann das für ihn noch schwierig sein und Sie können Verständnis zeigen, doch dann muss dieser entscheiden: Zieht er mit, oder geht er? Diese klare Haltung ist wichtig, damit Sie als neue Chefin nicht in einen Konflikt rutschen. Oft fühlt sich nämlich ein Vorgesetzter schlecht gegenüber dem Zukurz-Gekommenen, dieser erlaubt sich dann alles, doch der Chef traut sich nicht, ihn in die Schranken zu weisen, weil er ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen hat.

Den Rollenwechsel bewusst und authentisch gestalten

Angenommen, jemand steigt aus den eigenen Reihen auf und ist nun plötzlich Chef statt eben noch Arbeitskollege – was gilt es dabei zu beachten?

In diesem Fall sollte der Rollenwechsel bewusst gestaltet werden. Weniger gut ist es, wenn man so tut, als habe sich rein gar nichts verändert, wenn man keine Distanz zulässt und den Rollenwechsel quasi vertuscht. Genauso schlecht ist es allerdings auch, die Vergangenheit zu leugnen und eine übertriebene und damit künstlich wirkende Distanz zu den ehemaligen Arbeitskollegen herzustellen.

Wie sieht die Alternative aus?

Einen Mittelweg einschlagen! Manche Situationen erfordern, sich selbst und anderen bewusst zu machen, dass man eben nicht mehr Kollege ist, sondern nun Anweisungen gibt. Zu anderen Gelegenheiten wiederum lässt sich noch auf Arbeitskollegenebene agieren. Wichtig ist, sich klarzumachen, wann welche Rolle möglich bzw. wichtig ist. Und dass es insgesamt mehr Distanz braucht. Auch ein bisschen Einsamkeit muss man nun aushalten können, schliesslich ist man nicht mehr im gleichen Sinne Teil der Gruppe – dies ist der Preis für den Zuwachs an Macht und Einfluss.


Zur Person

*Bob Schneider ist Coach und Mitinhaber der iek Institut für Emotionale Kompetenz AG in Bern und Zürich. Seine Spezialgebiete sind (Führungs-)Coaching, Kaderschulung und Unternehmenskulturentwicklung. Zudem moderiert er Workshops rund um das Thema der emotionalen Kompetenz und ist in der Entwicklung und Durchführung von Selektions- und Development-Assessments tätig.

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