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«Mit einem Troll sollte man sich nicht auf Diskussionen einlassen.»

04.10.17

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Wie reagieren Unternehmen am besten auf Kritik in den sozialen Medien? Social-Media-Expertin Caroline Brinkhoff* erklärt die verschiedenen Typen von Unruhestiftern und weiss, wie man mit ihnen umgeht.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Frau Brinkhoff, ein Unternehmen erhält auf Social Media negatives Feedback. Was tun?

Es kommt darauf an, wie aktiv die betreffende Community ist. Ich betreue unter anderem die Community von «Schweizer Brot». Die User dort sind recht aktiv und posten meist Positives. Als Reaktion reicht von uns in der Regel ein Like oder ein kurzer Kommentar. Bei Kritik gilt es zu analysieren: Ist diese gerechtfertigt? Und was braucht die kritisierende Person? Unsere Regel ist, jede Antwort positiv zu formulieren und auch auf kritische Kommentare konstruktiv zu reagieren. Schreibt etwa jemand: «Ihr habt immer nur so langweilige Rezepte», antworte ich: «Merci für deine Mitteilung. Da und dort findest du noch mehr Rezepte – hast du das schon gesehen?»

Und wenn jemand bewusst Unruhe stiften will?

Es gibt vier unterschiedliche Typen von Unruhestiftern: Der Aktivist verfolgt gewisse Werte und Prinzipien und ist oft politisch unterwegs – wie etwa der extreme Veganer, der auf der Seite von «Schweizer Fleisch» postet. Der sogenannte Freeloader bauscht jedes Problem unabhängig vom Thema auf. Der Stormer will vor allem Aufmerksamkeit. Bekommt er diese, hört er auf. Ihn kontaktiert man als Community Manager am besten direkt mit persönlicher Nachricht («Ich sehe, du hast noch einige Fragen. Hier kannst du dich mit jemanden in Verbindung setzen.»). Der Troll hingegen versucht, zusammenhangslos Ärger zu machen. Mit ihm sollte man sich nicht auf Diskussionen einlassen, sondern ihn ebenfalls direkt kontaktieren. Hört er dann nicht auf, schliesse ich ihn von der Diskussion aus, indem ich ihn blockiere.

Ist es nur ein Windhauch oder wirklich ein Sturm?

Wann hat man es mit einem Shitstorm zu tun?

Das kommt auf die Stärke an: Ist es nur ein Windhauch oder wirklich ein Sturm? Zunächst gilt: Ruhe bewahren, das Problem analysieren und die Ursache suchen. Generell sollte man Themen clustern, also en bloc beantworten und sich auf keine Einzeldiskussionen einlassen. Kurz: durchhalten, beobachten und nicht panisch reagieren.

Und wenn das betreffende Unternehmen ohnehin gerade negativ in den Medien ist?

Dann schlägt sich das sofort auf Social Media nieder. In diesem Fall ist es wichtig, nicht einfach streng dem Redaktionsplan zu folgen, sondern etwa zu schreiben: «Wir nehmen es zur Kenntnis und kümmern uns darum.» Oft haben Unternehmen den Anspruch, jedem kritisierenden User einzeln zu antworten. Besser ist es jedoch, allgemein zu signalisieren: «Wir kümmern uns um das Thema» und dann kanalübergreifend ein offizielles Statement aufzusetzen.

Wird der Begriff «Shitstorm» überstrapaziert?

Aus Sicht von uns Community Managern schon, ja. Oft geht es nur darum, einen einzelnen Troll einzufangen. Erst wenn mehrere User sich beteiligen, kann eine einzelne Kritik zum Shitstorm auswachsen. Ist die Community jedoch aktiv, erledigt sich so etwas manchmal von selbst – wenn sich etwa andere User ungefragt einschalten («Das stimmt doch gar nicht. Du willst ja nur Stunk machen!»). Das hatten wir bei «Schweizer Brot» auch schon.

Und wenn dem Unternehmen nun tatsächlich ein Fehler unterlaufen ist?

Dann gilt es, diesen ernst zu nehmen und sich dafür zu entschuldigen. Früher wurden Unternehmensfehler oft erst spät entdeckt, heute geht das im Netz in Sekundenschnelle. Andererseits: Passiert mal ein Fehler, korrigiert man ihn eben, entschuldigt sich, und im Nu ist die Sache vergessen. Das ist wiederum ein Vorteil der schnelllebigen sozialen Medien.

Auch das gibt es: ein bewusst herbeigeführter Shitstorm

Welche Firmen gehen mit gutem Beispiel voran?

Vor einiger Zeit war Nestlé negativ in den Schlagzeilen wegen seiner Wasserprivatisierung. Da rief das Unternehmen die User auf den Social-Media-Kanälen auf, allgemein Fragen zu stellen. Wie zu erwarten drehten diese sich bald ausschliesslich um die Privatisierung des Wassers, und ein regelrechter Shitstorm brach los.

Der in diesem Fall aber bewusst herbeigeführt wurde?

Genau. Bei Nestlé hatte man damit gerechnet, war perfekt vorbereitet und reagierte super. Ein unterschwellig brodelndes Thema wurde so bewusst auf den Tisch gebracht und souverän abgehandelt. Auch die Migros reagiert oft gut auf kritische Userfragen. Wird beispielsweise eines ihrer Produkte kritisiert, antworten Community Manager mit viel Witz und positiven Antworten.

Was müssen Community Manager demnach mitbringen?

Sie müssen vif sein, schlagfertig, psychologisches Gespür besitzen und schnell zur Stelle und in der Reaktion sein. Hilfreich ist es, wenn Unternehmen klare Richtlinien definieren – auch Social Media Handbook oder Playbook genannt. Im Sinne von: Sind wir in Community per du oder per Sie? (Ich empfehle du.) Wie gehen wir auf Fragen ein? (Am besten eine Struktur von Antworten vorgeben.) Schreiben wir unter Echtnamen oder nur «Dein Migros-Team»? (Ich plädiere für Echtnamen.) Idealerweise nutzt ein Community Manager jeweils die Antwort auf eine User-Frage, um weitere Hinweise für Informationen zu platzieren – das ist auch für andere User interessant.

Zur Person
*Caroline Brinkhoff ist Consultant und Partner bei therelevent.com. Sie berät Kunden zum Thema Onlinemarketing und Social Media und ist Dozentin bei verschiedenen Schulungsinstituten.

Zum Weiterlesen: Wie man einen Shitstorm überlebt – ein Booklet von threlevent.com.

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