Themen Im Fokus
Wissen

«WhatsApp hat im Beruf nichts zu suchen.»

16.02.18

si_b018539e782434949a5dca42b22a2916.img

Weshalb sich Kurznachrichten nur für den privaten Gebrauch eignen und warum man unpassende Anrufer nicht unterdrücken sollte: Knigge-Expertin Doris Pfyl* über den richtigen Umgang mit Smartphones im Berufsalltag.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Frau Pfyl, müssen wir es akzeptieren, dass Smartphones oft wie eigenständige Teilnehmer bei einer Besprechung dabei sind?

Es ist Sache des Sitzungsleiters, am Anfang klar zu sagen: «Ich möchte eure ganze Aufmerksamkeit. Legt deshalb bitte eure Handys zur Seite oder schaltet den Ton aus.»

Und wenn man selbst diejenige ist, die während eines wichtigen Geschäftsessens einen noch wichtigeren Anruf erhält?

Am besten kündige ich dies bereits im Vorfeld an. Kommt dann der Anruf, verlasse ich kurz den Raum und telefoniere draussen.

Wie sollte man reagieren, wenn ein Geschäftspartner bei einer Verhandlung ständig auf sein Handy schaut?

Das kommt darauf an, um wen es sich handelt. Ist es ein Kunde, sage ich eher nichts. Den Arbeitskollegen hingegen würde ich fragen: «Erwartest du einen Anruf? Wenn nicht, leg dein Handy bitte zur Seite, damit wir konzentriert arbeiten können.» Es geht um gegenseitige Wertschätzung. Benutze ich dauernd mein Smartphone, signalisiere ich dadurch: «Ich habe Besseres zu tun.» Viele meiner Seminarteilnehmer erzählen, dass am Ende einer Sitzung oft Fragen auftauchen, die kurz davor detailliert besprochen wurden. Vor lauter Beschäftigung mit dem Handy haben das die Fragesteller aber nicht mitbekommen. Kein Wunder, verlaufen viele Besprechungen oft sehr unkonzentriert. Eine kleine anonyme Umfrage hat mal ergeben: Die meisten Sitzungsteilnehmer nutzen ihr Handy nicht mal geschäftlich, sondern privat – was noch viel mehr zu denken geben sollte.

Strategien gegen den inflationären Handygebrauch

Nutzen Frauen und Männer ihre Smartphones unterschiedlich?

Das ist weder geschlechts- noch altersabhängig. Ich kenne genug ältere, gestandene Geschäftsleute, die ihr Handy genauso exzessiv nutzen wie junge, Männer wie Frauen. Aber ich beobachte auch einen Rückwärtstrend: Junge Leute, die zusammen ausgehen und vereinbaren, alle Handys auf einen Stapel zu legen. Wer zuerst nach seinem greift, muss die komplette Rechnung bezahlen. Sie haben erkannt: Der Griff nach dem Handy hat Suchtcharakter; das ist lästig und störend.

Was ist im beruflichen Umfeld beim Umgang mit dem Handy tabu?

Das Smartphone auf dem Tisch zu platzieren und die ganze Zeit draufzuschauen – sowohl in Sitzungen als auch bei Geschäftsessen. Oder provokante Klingeltöne, etwa Kuhglocken. Aber auch im Zug lautstark telefonieren und seine Mitmenschen mit dem Deklamieren von Bilanzen und Geschäftsabschlüssen zu belästigen. Was im beruflichen Umfeld auch nicht geht: Sitzungsteilnehmer, die zum Telefonieren das Zimmer nicht verlassen oder die einen Anrufer einfach unterdrücken.

Immerhin gehen sie dann nicht ans Telefon.

Eleganter wäre es, kurz dranzugehen und zu sagen: «Ich bin gerade besetzt, aber melde mich später.»

Kurznachrichten sind viel zu missverständlich und informell

In welchen Situationen sind Kurznachrichten wie bei WhatsApp im Beruf erlaubt?

Gar nicht. WhatsApp hat im Beruf nichts zu suchen und sollte ausschliesslich privat genutzt werden. Im Job kommuniziert man per Telefon oder E-Mail. Kurznachrichten sind viel zu missverständlich und informell. Ich würde höchstens im Notfall darauf zurückgreifen – wenn man etwa im Stau steht, sich verspäten wird und den anderen telefonisch nicht erreicht.

Muss ich Bescheid geben, wenn ich zu einem Geschäftstermin 5 Minuten zu spät komme, oder liegt das noch in der Toleranz?

Im beruflichen Umfeld muss man unbedingt Bescheid geben, hier ist Pünktlichkeit essenziell. Privat sind bis zu 5 Minuten Verspätung akzeptiert. Früher hiess es bis zu 15 Minuten – in Zeiten, in denen jeder jederzeit kommunizieren kann, ist dies aber veraltet.

Ist der Umgang mit Smartphones in Ihren Knigge-Seminaren ein Thema?

Ja, ständig. Frage ich zum Schluss eines Seminares: «Was stört Sie in unserer Gesellschaft im Umgang miteinander?», wird das Smartphone an erster Stelle genannt. Frage ich dann: «Und wie halten Sie es selbst mit Handys?», wird deutlich, dass dies ein verzwicktes Thema ist. Die Dauerbenutzung bei anderen stört zwar alle, aber die Versuchung ist gross, selbst immer wieder draufzugucken.

Was jedoch zulasten der Aufmerksamkeit geht.

Und vor allem zulasten der Wertschätzung! Deshalb ist es wichtig, den Leuten immer wieder klarzumachen, wie die ständige Handypräsenz beim Gegenüber ankommt: Sie signalisiert Desinteresse und ist eine Missachtung der guten Umgangsformen. Ein Smartphone ist zwar sehr praktisch und hat sicher auch schon viele Menschenleben gerettet. Aber man sollte es im richtigen Moment benutzen und nicht dauernd.


Zur Person

*Doris Pfyl ist Expertin für gute Umgangsformen im Beruf und Inhaberin der Agentur Image Mode Stil. In praxisorientierten und massgeschneiderten Seminaren, Vorträgen, Workshops und persönlichen Coachings unterstützt sie in den Themen Imagebildung, Dresscodes, zeitgemässe Umgangsformen, Business-Knigge sowie Farb- und Modestilberatung.

PS: Warum selber machen, wenn es Profis gibt? etextera unterstützt Sie beim Texten, Gestalten und Umsetzen Ihrer Kommunikationsprojekte. Sprechen Sie mit uns.