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«Der öffentliche Diskurs wird auch im Jahr 2015 von Männern dominiert»

21.04.15

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Ein Netzwerk für Journalistinnen: Mit einer Online-Datenbank für Expertinnen will das Netzwerk Medienfrauen Schweiz mehr Frauen in Diskussionsrunden und Führungspositionen bringen. Initiiert wurde das Projekt von der Journalistin Luzia Tschirky*.


Redaktion/Interview: Text- und Übersetzungsagentur etextera

Frau Tschirky, Sie haben kürzlich das Netzwerk Medienfrauen Schweiz lanciert – hat es dafür einen bestimmten Auslöser gegeben?


Ja, im Prinzip schon. Letzten November erzählten innerhalb weniger Tage mehrere Bekannte aus der Medienszene, wie männliche Kollegen einfach besser vernetzt seien. Da kam mir die Idee. Begonnen haben wir zunächst mit einer Facebook-Gruppe. Dort sind mittlerweile über 300 Medienfrauen dabei. Parallel reservierten wir eine Domain und bauten die Website auf. Als dann kürzlich die Diskussion um Frauen in Chefetagen von Medienunternehmen losging, gingen wir schon ein bisschen früher online als geplant.

Warum braucht es dieses Netzwerk?

Weil es offensichtlich fehlt. Im Vergleich zu ihren Kollegen sind Medienfrauen tatsächlich oft schlechter vernetzt. Von mehr Vielfalt profitieren aber alle: sowohl die Teams der Medienschaffenden als auch die Konsumenten. Letztere haben einfach mehr von Medien, die die Gesellschaft besser repräsentieren. Und Medienfrauen Schweiz will dies aktiv verändern. Das Netzwerk soll dabei nicht nur nach innen, sondern auch nach aussen wirken, denn der öffentliche Diskurs in der Deutschschweiz wird auch noch im Jahr 2015 von Männern dominiert.

Es gibt genug weibliche Experten

Was möchten Sie konkret erreichen?

Ob es um die Besetzung von Führungspositionen geht oder die Expertenauswahl für Podien und Diskussionsrunden: Die Verantwortlichen erklären oft, es habe sich keine geeignete Frau finden lassen. Mit unserer Online-Datenbank möchten wir dieses Argument ein für alle Mal entkräften. Denn wir sind fest davon überzeugt: Es gibt Expertinnen auch hierzulande. Sie erhalten einfach zu selten das Wort.

Welches Feedback haben Sie bisher auf Ihr Projekt erhalten?

Ein sehr positives. Eben weil wir versuchen, konkret etwas zu verändern und nicht nur diskutieren. Die Expertinnen in unserer Datenbank werden täglich mehr; wir haben auch schon einige prominente Einträge darunter. Übrigens kommen auch von Männern viele erfreuliche Reaktionen. Auf der Crowdfunding-Plattform «We make it» hatten wir gerade eine Kampagne laufen, mit der wir Geld für unser Netzwerk sammelten. Unter den namentlichen Spendern waren viele Männer. Ich wäre mir nicht mal sicher, ob die Mehrheit unserer Unterstützer Frauen sind.

Was machen Sie mit dem gesammelten Geld?

Ein professionelles Netzwerk ist teuer – Werbung, Administration, da kommt einiges zusammen. Ich arbeite ehrenamtlich, das ist ok so. Aber mir ist es ein grosses Anliegen, die für das Netzwerk tätigen Frauen zu entlohnen.

Verlässliche Datenbank

Kontrollieren Sie eigentlich die Einträge der Expertinnen in die Datenbank?

Ja, das nehme ich sehr ernst. Die Datenbank muss verlässlich sein. Deshalb überprüfe ich jeden Antrag, jeden Lebenslauf und schaue beispielsweise, ob die Häkchen richtig gesetzt sind. Hat eine Frau alle Themengebiete im Profil angekreuzt, frage ich schon mal nach, ob dies wirklich stimmt.

Wie erklären Sie sich, dass es bisher kein solches Netzwerk gegeben hat?

Das ist mir selbst nicht klar. Vielleicht ist es ja etwas spezifisch Schweizerisches, eher vorsichtig zu sein. Ich bin jedenfalls in den letzten Monaten oft gefragt worden: «Was machst du, wenn das Ganze schief läuft?» Ehrlich gesagt, denke ich daran gar nicht. Das Wichtigste ist doch, überhaupt etwas zu tun: Aktiv werden statt zu warten, bis sich etwas verändert – was Frauen sonst oft vorgeworfen wird.

Sie sind im Vorstand der Jungen Journalisten Schweiz aktiv, organisieren die Jugendmedientage mit und haben nun auch noch das Netzwerk Medienfrauen Schweiz ins Leben gerufen – neben Ihrer Tätigkeit als freie Journalistin ist dies ein ganz schönes Pensum.

Bei den Sachen, die mir wichtig sind, engagiere ich mich einfach und bin mit Herzblut dabei. Das war schon immer so. Sonst wäre ich wohl auch nicht Journalistin geworden.

Zur Person:
*Luzia Tschirky ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Russland und Osteuropa. Das Magazin «Schweizer Journalist» hat die 24-Jährige im letzten Jahr zur Newcomerin des Jahres gewählt. Neben den Medienfrauen Schweiz engagiert sie sich ehrenamtlich bei Junge Journalisten Schweiz und studiert an der Universität Zürich Politik- und Rechtswissenschaften. (kri, Bild: Medienfrauen Schweiz/Raphael Huenerfauth)

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