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«Tempo und Erwartungshaltung haben sich extrem erhöht»

26.11.14

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Sie gilt als das Gesicht des Flughafen Zürich: Unternehmenssprecherin Sonja Zöchling Stucki* wurde gerade zum dritten Mal zur Pressesprecherin des Jahres gewählt. Mit etextera sprach sie über unerwartete Themen, die plötzlich auf Titelseiten landen und ihrem Verhältnis zu Journalisten.


Redaktion/Interview: Text- und Übersetzungsagentur etextera

Frau Zöchling Stucki, was zeichnet eine gute Pressesprecherin aus?

Man sollte vor allem die Firma, für die man spricht, gut kennen und sich mit den Themen vertraut machen. Ich selbst bin seit 29 Jahren am Flughafen Zürich tätig, 26 davon in der Kommunikation. Daher kenne ich mich auch in komplexen Themen sehr gut aus. Wenn es darauf ankommt, kann ich also schnell antworten.

Wie hat sich in all den Jahren Ihre Arbeit verändert?

Mit dem Wandel der Medien, vor allem mit den Onlinemedien, ist alles sehr viel schneller geworden. Journalisten stehen heute stärker unter Zeitdruck, brauchen schnellere Antworten und haben weniger Zeit zum Recherchieren – worunter zum Teil die Qualität leidet. Die Sozialen Medien wiederum schaffen einen zusätzlichen Bedarf an Informationen. Insgesamt haben sich Tempo und Erwartungshaltung extrem erhöht. Kommunikationsstellen müssen deshalb heute rund um die Uhr erreichbar sein – was wir auch sind.

Sie lesen also in der Freizeit Ihre E-Mails?

Generell versuche ich zwar, mich abzugrenzen, mache das im Urlaub auch ganz konsequent. Aber sonst müssen wir schon erreichbar sein. Wenn unser Chef beispielsweise in den Sonntagsmedien ein Interview gegeben hat, kann es am Wochenende schon zu Nachfragen kommen. Da muss man verfügbar sein.

Wer sich nicht gut behandelt fühlt, wendet sich heute schnell an die Medien

Haben sich auch die Anfragen von Medienschaffenden verändert?

Das kommt auf die generelle Nachrichtenlage an. Ist gerade viel los, dominieren die grossen Themen. Ansonsten werden aber auch gerne Nebenthemen aufgegriffen. Fühlt sich zum Beispiel jemand nicht nett behandelt, wendet sich dieser heute schnell mal an die Medien – die das auch aufnehmen, wenn die Nachrichtenlage gerade dünn ist. Ein eher unscheinbares Thema kann deshalb auf einmal ganz gross werden. Hinzu kommt: Jeder Passagier, jeder Mitarbeiter besitzt heute ein Handy. Passiert irgendwo etwas, werden Fotos an die Medien geschickt. Bevor wir irgendwelche Informationen haben, sind diese bereits draussen.

Was war für Sie die grösste Herausforderung in all den Jahren?

Die Einführung der Südanflüge im Oktober 2003. Ganz viele Leute, die nie gedacht hätten, dass sie einmal von Fluglärm betroffen sein könnten, sahen sich dem plötzlich ausgesetzt. Damals gab es viele persönliche Angriffe per E-Mail. Eine anspruchsvolle Situation. Genauso natürlich wie auch das Grounding der Swissair. Viele Leute konnten das damals nicht verstehen – wir selbst auch nicht. Umso schwieriger war es, damit umzugehen.

Worauf kommt es in solchen Situationen an?

Man sollte ruhig bleiben, die Nerven behalten, sich nicht von Gefühlen leiten lassen und vor allem stets offen und transparent kommunizieren. Auf keinen Fall etwas unter dem Deckel behalten – das kommt früher oder später sowieso an die Oberfläche.

Journalisten als Kunden ansehen

Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste im Umgang mit Journalisten?

Dass man guten Kontakt zu ihnen pflegt – und zwar nicht nur, wenn diese etwas wollen. Ausserdem sollte man auf Qualität achten und Journalisten stets als Kunden ansehen – nicht als Feinde. Schliesslich machen diese genauso ihren Job, wie wir unseren.

Hatten Sie in 29 Jahren Flughafen-Kommunikation nie Lust, mal ein anderes Thema zu beackern?

Nein, nie. Es gibt hier so viele unterschiedliche Themen. Der Flughafen Zürich ist ja der grösste der Schweiz und funktioniert wie eine Stadt. So viele Menschen finden sich täglich dort ein. Das liefert jede Menge Stoff für Geschichten – und zwar längst nicht nur über An- und Abflüge. Auch viele weiche Themen drängen sich auf. Demnächst zum Beispiel laden wir zum Weihnachts-Shopping ein. Ich könnte mir jedenfalls keinen besseren Arbeitsplatz vorstellen – wahrscheinlich wollen Sie jetzt auch gleich hier anfangen, was?

Tönt zumindest spannend.

Ist auch wirklich so. Ich übertreibe nicht.

Zur Person:

*Sonja Zöchling Stucki arbeitet seit 29 Jahren am Flughafen Zürich; seit 2008 ist sie Leiterin der Unternehmenskommunikation. Nach 2011 und 2013 wurde sie in diesem Jahr zum dritten Mal vom Branchenmagazin «Schweizer Journalist» zur Pressesprecherin des Jahres gewählt. 191 Wirtschafts- und Fachjournalisten bewerteten dazu die Pressearbeit der 80 wichtigsten Unternehmen der Schweiz.
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