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«Will man Jugendliche erreichen, ist Anbiederung eine Todsünde»

03.04.14

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Am 10. April fand in Zürich das Youthmarketingforum Boost statt, das erste Schweizer Forum im Bereich Jugendmarketing und Jugendkultur. Auf welche Kampagnen Jugendliche stehen und was Werber tunlichst vermeiden sollten, weiss Fabio Emch, Geschäftsführender Partner von jim&jim, der Agentur für Jugend- und Studentenmarketing.


Redaktion/Interview: Text- und Übersetzungsagentur etextera

Herr Emch, Jugendliche werden immer weniger, sie haben weniger Geld als andere Bevölkerungsgruppen und sind mit herkömmlichen Medien kaum zu erreichen. Macht Jugendmarketing überhaupt Sinn?

Auf jeden Fall! Neueste Studien, wie etwa der Bravo Trend Monitor, zeigen, dass die Kaufkraft pro Jugendlicher tendenziell steigt. Zudem üben sie einen direkten Einfluss auf die weiteren Familienmitglieder aus und gelten im erwachsenen Umfeld als Meinungsführer. Richtig ist, dass es weniger Jugendliche gibt – d.h. der Kampf um den Einzelnen nimmt zu. Generell sind Jugendliche für jedes Unternehmen eine sehr wichtige und spannende Zielgruppe – schliesslich sind sie überaus markenaffin. Gewinnt man sie früh, so zwischen dem 12. und 19. Lebensjahr, entwickeln sie starke Bindungen zu einer Marke. Gleichzeitig stimmt es, dass sie schwierig zu erreichen sind. Man benötigt deshalb spezielle Kommunikation sowie eine gekonnte Selektion der Kanäle.

Wie also funktioniert Jugendmarketing?

Neben dem Verständnis vom Handwerk, also dem Marketing, braucht es vor allem zielgruppenspezifisches Know-how. Wir beschäftigen uns täglich damit, wie junge Leute ticken, was sie bewegt und wohin sich die neuesten Trends entwickeln. Dazu gehört, dass wir regelmässig zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Demoskop quantitative und qualitative Studien durchführen. Ausserdem haben wir einen Pool von 300 Jugendlichen, mit denen wir in unterschiedlichen Gruppierungen für Kunden ganz konkret zusammen sitzen und Konzepte erarbeiten.

Die Gefahr der Anbiederung ist bei Finanzdienstleistern gross

Zeitungen scheitern regelmässig daran, wenn sie versuchen, eine Jugendseite einzurichten.

Ja, ein klassisches Problem. Was nicht verwunderlich ist, weil die Konzepte meist an den Interessen der Zielgruppe vorbei gehen. Aber auch bei anderen Produkten ist die Anbiederung eine Todsünde wenn man Jugendliche erreichen will. Bei Finanzdienstleistern oder Versicherungen ist diese Gefahr gross – einfach weil hier auch der Gap von der Lebensphase zum Produkt am grössten ist.

Nun durschauen Jugendliche sehr schnell Werbung. Wie gehen Sie damit um?

Plumpe Werbung durchschauen sie schnell; für wirklich gut gemachte sind sie aber auch leicht zu begeistern. Die neueste Edeka-Kampagne ist dafür ein gutes Beispiel.

Sie meinen den schrägen Werbespot, der in nur wenigen Tagen millionenfach angeklickt wurde und in dem ein Mittfünfziger von «Supersüss, supersexy, supereasy, supergeil» singt?

Ja, genau. Das ist ein Beispiel für eine ziemlich coole Kampagne, die wirklich gut ankommt. Der Kunde hat hier Mut gezeigt und ist wirklich mal den ganzen Weg gegangen. Ob Sie dann auch mehr Umsatz bringt, ist eine andere Frage. Hier müsste man genau wissen, was das Ziel des Kunden war.

Jugendliche sind anspruchsvoller und somit aus Kundensicht schwieriger

Wie ticken denn Jugendliche im Jahr 2014?

Grundsätzlich waren junge Leute schon immer anders als ältere, auch vor hundert Jahren schon. Das ist einfach so. Im Vergleich zu vor etwa 20 Jahren sind Jugendliche heute jedoch viel multioptionaler – in Bezug auf Brands, auf Ausbildung und Jobmöglichkeiten und auch in Bezug auf Kommunikation. Ausserdem sind sie vernetzter – global, regional und innerhalb der unterschiedlichen Altersgruppen. Dadurch verbreitet sich alles schnell. Gleichzeitig sind Jugendliche heute aber auch kritischer: Wikipedia habe sie immer dabei; 90 Prozent besitzen ein Smartphone. Was wiederum bedeutet, dass sie reizüberfluteter sind, anspruchsvoller und somit aus Werbekundensicht schwieriger.

Inwiefern?

Nehmen wir zum Beispiel Apps. Auf dem Handy sind vielleicht 20 bis 40 installiert, im ständigen Gebrauch sind aber nur drei bis fünf. Da sieht man den Verdrängungskampf, der hier herrscht. Als Brand nutzt es daher nichts, den tausendfach begangenen Weg einzuschlagen und einfach zu sagen „Wir machen auch noch eine App". Man muss man sich schon etwas richtig Gutes und Gehaltvolles einfallen lassen, um zu bestehen.

Am Anfang stand STUcard.ch

Wie kamen Sie auf die Idee, eine Agentur zu gründen, die sich ausschliesslich auf Jugendmarketing fokussiert?

Ich war Marketingleiter und stellvertretender Geschäftsführer bei STUcard.ch und beim Aufbau des Netzwerks dabei. Mittlerweile ist sie die grösste Jugend- und Studenten-Community der Schweiz. Damals haben uns immer wieder Brands angefragt, ob wir ihnen nicht bei der Vermarktung helfen könnten – so entstand die Idee, unser Know-How weiteren Brands zugänglich zu machen.

Darf ich fragen wie alt Sie sind?

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Kann man Jugendmarketing nur machen, wenn man selbst die 35 noch nicht überschritten hat?

Das kann ich nicht beantworten, da ich noch nicht so alt bin. Das Wichtigste aber ist wohl, dass man versteht, was Jugendliche interessiert und einen Plan hat, wie man dies herausfindet. Dann ist das Alter egal.

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