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«Von Gefühlen lassen wir uns viel mehr beeinflussen als von Informationen.»

05.11.17

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An gute Geschichten erinnern wir uns gerne. Doch wie müssen diese aufgebaut sein? Dies erklärt Drehbuchautor Edgar von Cossart in seinem neuen Buch «Storytelling – Geschichten für das Marketing und die PR-Arbeit entwickeln».


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr von Cossart, wie erzählt man eine gute Geschichte?

Sie ist spannend, emotional und lässt Zuhörer hoffen und bangen. Die zentrale Person der Geschichte muss dem Zuhörer wichtig sein. Kurz: Eine gute Geschichte braucht einen Protagonisten, dieser hat ein Ziel; und damit die Geschichte nicht zu schnell zu Ende geht, benötigt es Konflikte. Hinzu kommt: Eine Geschichte fängt an, geht weiter und hört auf – sie besteht also aus drei Akten. Geschichten mit nur einem oder zwei Akten funktionieren nicht. Ich unterrichte Drehbuch, und da wird immer wieder versucht, mir eine Story mit nur einem oder zwei Akten unterzujubeln. Aber glauben Sie mir: Das merken Zuhörer!

Sind Emotionen wichtiger als Informationen?

Ja, von Gefühlen lassen wir uns viel mehr beeinflussen als von Informationen. Je emotionsgeladener eine Geschichte, desto grösser unsere Aufmerksamkeit. Emotionalität wiederum erreichen Sie, wenn sich die Zuhörer mit dem Helden identifizieren.

Menschen in den Mittelpunkt stellen

Wie sieht es bei Storytelling in PR und Marketing aus – wie findet man dort Emotionen?

Indem man von reinen Infos absieht und nicht nur Produkte simpel anpreist. Stattdessen könnte man einen Menschen in den Mittelpunkt stellen, der die Produkte benutzt, für den wir Sympathie und Empathie empfinden, mit dem Identifikation möglich ist. Dasselbe gilt, wenn Firmen angepriesen werden sollen: Auch hier müssen Menschen – etwa Mitarbeitende – ins Zentrum gestellt werden. Wir alle kennen die Geschichten von Unternehmen, die einst in Garagen und Verschlägen anfingen, wie etwa Microsoft oder Hewlett Packard. Das sind Heldengeschichten! Sie machen Firmen sympathisch.

Welche Unternehmen haben diese Storytelling-Prinzipien im Marketing gut umgesetzt?

Aktuell machen Heimwerkermärkte das sehr gut – Obi, Hornbach und wie sie alle heissen. Das sind schöne emotionale Clips mit Menschen, die sich in gutem Storytelling geradezu übertreffen. Nervig hingegen ist die plumpe Mercedes-Werbung, die bei sämtlichen Fussballländerspielen gerade omnipräsent ist: Ob auf Trikots oder Stadionbannern – überall begegnet einem dieser ins Zentrum gerückte Stern. Vor einigen Jahren hingegen hatte Mercedes einen gut gemachten Werbeclip: Darin kommt ein Mann verschwitzt auf einem fremdländischen Flughafen an, es ist laut, heiss, überall wuseln Menschen. Plötzlich fällt sein Blick auf einen Mercedes. Er steigt ein, die Tür schliesst mit einem Plopp, und sofort ist es ruhig – ein Gefühl, wie nach Hause zu kommen. Das ist ein Beispiel für eine hervorragend gemachte Geschichte!

Bei journalistischer Unternehmenskommunikation lieber auf Externe setzen

Was sollte man also in PR und Marketing vermeiden?

Plumpes Auftreten. Werbung, die nur auf Infos setzt, geht beim Konsumenten zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Ähnlich wie bei Drehbüchern: Jeder gute Film hat ein Thema. Dieses schlägt jedoch ins Gegenteil um, wenn ich es zu plump realisiere. «Ja, ich habs verstanden», denkt dann der Zuschauer genervt. Unterschwellig eingesetzt, funktioniert es jedoch sehr gut.

In Ihrem Buch plädieren Sie dafür, journalistische Unternehmenskommunikation nicht von Internen übernehmen zu lassen, sondern diese lieber ausser Haus zu geben. Weshalb?

Beim Realisieren von Industriefilmen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es viel besser ist, wenn man von aussen kommt und von der Materie nicht jedes Detail versteht. Interne sind gerne betriebsblind; bei ihnen besteht die Gefahr, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen und sich in Kleinigkeiten zu verlieren.

Storytelling erlebt gerade einen regelrechten Hype. Sind wir nicht alle ein Stückweit gesättigt, was Geschichten angeht?

Die Gefahr besteht zwar, doch momentan befinden wir uns noch völlig auf der Storytelling-Welle. Kinofilm und Serien zeigen uns allerdings, wohin die Reise geht. Hier ist in letzter Zeit eine Tendenz zum Dokumentarismus zu erkennen. Vielleicht ist demnächst ja Zeit für mehr Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Sachlichkeit. So wie die erfolgreichen Filme des Dokumentarfilmers Frederick Wiseman, der sich in «National Gallery» einer Londoner Institution genähert hat. Ich bin immer wieder begeistert, wie gut solch Dokumentarismus beim Publikum ankommt.


Zur Person

Nach Stationen beim WDR und SWR sowie als freiberuflicher Filmemacher arbeitet Edgar von Cossart heute als Drehbuchautor und Dozent. Im Laufe seiner Tätigkeit als Drehbuchautor sind neben Kinofilmen und Serienfolgen auch Fernsehspiele und «Tatort»-Folgen entstanden. Ausserdem hat von Cossart Industriefilme hergestellt, u.a. für das Land Nordrhein-Westfalen, die VIAG AG, Daimler, Siemens, Novotel, Ibis und die Deutsche Telekom, sowie Schulungsfilme und Dokumentarfilme für ARTE. Dieses Jahr ist sein Buch «Storytelling – Geschichten für das Marketing und die PR-Arbeit entwickeln» erschienen.

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