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«Bei Verhandlungen erhalten wir nonverbale Signale zu Ungesagtem.»

05.04.18

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Wie Körpersprache wirkt und wie sich mit ihr manipulieren lässt, weiss Antoinette E. Anderegg*. Sie ist Körperspracheexpertin und erzählt, worauf es bei Verhandlungen, Vorträgen, aber auch bei vermeintlich lockeren Apéro-Plaudereien im Beruf ankommt.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Frau Anderegg, welche Bedeutung hat die Körpersprache in der zwischenmenschlichen Kommunikation?

Eine sehr grosse. Über die Körpersprache erhalten wir Hinweise, die uns Verbales besser verstehen lassen. Sie ist unerlässlich bei der Kontaktaufnahme, klärt Hierarchien und ist Bestandteil jeder Interaktion. Wie wichtig die nonverbale Kommunikation ist, sehen wir an Menschen, die diese Zeichen nicht deuten können, wie etwa Menschen mit Aspergersyndrom oder Autisten. Diese sind sehr intelligent, aber sozial fast nicht überlebensfähig.

In welchen beruflichen Situationen spielt die Körpersprache besonders eine Rolle?

Bei Verhandlungen, im Verkauf, bei Präsentationen oder im Mitarbeitergespräch erhalten wir über nonverbale Signale Hinweise zu Ungesagtem. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass unsere Körpersprache auf die Emotionen unseres Gegenübers eine Wirkung hat – woran wir meist nicht denken. Dies zeigt folgende Übung, die oft an Schauspielschulen praktiziert wird: Zwei Personen sitzen sich gegenüber – die eine nimmt die Rolle des Geschichtenerzählers ein, die andere die des Zuhörers. Person eins erhält nun die Anweisung, etwas Wahres, mit positiven Emotionen Verbundenes zu erzählen. Die andere Person soll zunächst aufmerksam zuhören, dann jedoch Desinteresse signalisieren. Daraufhin geschieht Folgendes: Obwohl der Erzähler weiss, dass der Zuhörer nur so tut, als ob er sich plötzlich nicht mehr für die Geschichte interessiert, lässt er sich durch das gezeigte Desinteresse verunsichern und in Stress versetzen. Die Körpersprache wirkt direkt aufs Unbewusste, ohne den langsamen Weg über das Bewusstsein zu nehmen.

Körpersprache lässt sich nur bedingt steuern

Können wir unsere nonverbale Kommunikation steuern?

Bis zu einem gewissen Grad, ja, sonst gäbe es keine Schauspieler. Aber komplett können wir sie nicht steuern. In den ersten 40 bis 500 Millisekunden werden unsere Emotionen unkontrolliert und unüberprüft an unsere Mimik gesendet – diese Mikromimik können wir nicht kontrollieren.

Wie wichtig ist der berühmte erste Eindruck?

Er umfasst das gesamte Erscheinungsbild des Menschen, wozu Haltung, Mimik, Gestik und Tonfall gehören. Er ist sehr stark, da die Erstbewertung immer Referenzpunkt bleibt. Sage ich etwa: «Sie ist viel netter als gedacht», beziehe ich mich auf den ersten Eindruck. Der Mensch will immer im Recht sein. Ist mein erster Eindruck von einer Person also ein schlechter, werde ich stets versuchen, diesen zu bestätigen und somit recht zu haben.

Wie können wir das Entschlüsseln von Körpersprache im Berufsleben nutzen?

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Netzwerk-Apéro, und ein unbekannter Geschäftsmann fragt Sie nach Ihrer Arbeit. Sie wittern Ihre Chance und beginnen zu erzählen. Ihr Gegenüber lächelt, was Sie anspornt, und Sie reden immer weiter. Jedoch spätestens wenn Ihr Gegenüber sein Gesicht kurz abwendet, sein Blick etwa durch den Raum schweift, sollten Sie gewarnt sein und sofort aufhören. Dies ist ein Zeichen dafür, dass er sich nicht mehr für das von Ihnen Erzählte interessiert. In so einer Situation müssen Sie loslassen oder eine Gegenfrage stellen. Mikromimik nennt sich ein mimischer Ausdruck, der sich ultrakurz manifestiert und nicht dasselbe aussagt wie die gut sichtbare Emotionsmimik. Die Mikromimik zeigt an, dass sich unter der explizit gezeigten Emotion eine andere befindet.

Echtes Lächeln von sozialem Lächeln unterscheiden

Hätte ich schon früher bemerken können, dass das Interesse meines Gesprächspartners schwindet?

Ja, es gibt viele kleine Hinweise um Mund und Augen. Aufmerksame können beispielsweise feststellen, dass der Gesprächspartner bei schwindendem Interesse nicht mehr blinzelt. Echtes Lächeln von einem sogenannten sozialen Lächeln zu unterscheiden, kann man recht leicht lernen. Letzteres ist eines, das zu lange andauert, bei dem die Augenmimik starr bleibt, also keine Lachfältchen entstehen. Wir haben leider nicht gelernt, Körpersprache wahrzunehmen, da wir zu sehr auf Mündliches fokussiert sind. Dabei macht der verbale Inhalt nur sieben Prozent unserer Wirkung aus. 38 Prozent sind der Stimme geschuldet, 55 Prozent unserer nonverbalen Kommunikation – wozu etwa Gesten, Augenkontakt und Haltung gehören. Ungeachtet dieser alten Erkenntnis orientieren sich die meisten nur an den sieben Prozent.

Was sollten wir bei Interaktionen mit anderen vermeiden?

Gar nichts. Verhalten sich Menschen besonders bewusst und kontrolliert, erhöht dies nur ihre Muskelspannung und sie erstarren. Oft erscheinen dann Widersprüche zwischen Mimik und Körper, Stimme und Körper oder Wörtern und Körpersprache. Die Versteifung und Widersprüche nehmen andere unbewusst als irritierend wahr, so lässt sich kein Vertrauen herstellen.

Worauf gilt es denn zu achten?

Auf die innere Haltung: sich bewusst sein, was man macht, was man empfindet. Und auf sein Gegenüber achten. Zeigen dessen Füsse etwa weg in den Raum, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass der Gesprächspartner weitermöchte. Also nehmen wir ihn nicht länger in Beschlag. Auch wenn sich die Lippen nach einer Aussage ganz fest schliessen, signalisiert der Mensch: «Jetzt ist es genug, ich will nichts weiter sagen.» Kopfhaltungen können ebenfalls wichtige Hinweise geben. Deren Bedeutungen sind aber unbedingt bei einer Fachperson zu lernen, da es sonst leicht zu Fehlinterpretationen kommt.

Können wir solche Signale nicht intuitiv lesen?

Intuition ist die Summe der im Unbewussten gespeicherten Erfahrungen und kann sehr wohl zu einer richtigen Interpretation führen. Aber erst das Lernen ermöglicht unserem Gehirn, Dinge wie einem geneigten Kopf Bedeutung zuzumessen und dieses Signal zu erkennen. Normalerweise nehmen wir unser Gegenüber nur nebulös wahr. Viel wichtiger ist es deshalb, sich über seine eigenen Emotionen im Klaren zu sein, sie benennen zu können und die Verantwortung für das, was zwischenmenschlich geschieht, mitzutragen. Das macht uns authentisch und zugänglich – oft kommt es genau darauf an.

Typische weibliche nonverbale Kommunikation

Unterscheidet sich weibliche Körpersprache von männlicher?

Das ist schwer zu beantworten, ohne Stereotype zu bemühen. Generell lässt sich jedoch sagen: Frauen tendieren dazu, beschwichtigende Signale auszusenden – wie etwa den Kopf neigen, die Stimme zurücknehmen oder nicht zu unterbrechen. All diese Dinge führen dazu, dass Frau an Status verliert. Schauen Sie sich beispielsweise Geschäftsfrauen in Illustrierten an: Diese lachen auf den Fotos viel mehr als Männer. Überhaupt wirken Geschäftsmänner immer wie eine Gruppe, mit ihren einheitlichen Anzügen als gemeinsame Marke. Frauen hingegen sind visuell oft voneinander abgesetzt. Was unbewusst signalisiert, dass sie sich nicht in die Gruppe einfügen. Zudem tragen sie häufig Kleidung, die die Aufmerksamkeit auf ihren Körper lenkt – sei es durch Muster oder Schuhe –, was zu einem körpertaxierenden und statusmindernden Blick führt.

Verändert sich die Körpersprache mit der Zeit?

Ja, im Sinne von: Junge Frauen in den 50er-Jahren haben sich anders verhalten als wir heute. Diese Veränderungen aber passieren sehr langsam, denn nonverbale Kommunikation ist abhängig von kulturellen Normen, und diese ändern sich nur schleppend. Auch Erziehung prägt, genauso wie soziale Medien. Ironischerweise propagieren Letztere oft wieder alte Vorstellungen. Nebst der Bedeutung des Aussehens – wobei es heute vermehrt auch um das der Männern geht — festigen sie alte Rollenmuster, aber auch entsprechendes Verhalten der Geschlechter. Wie etwa das sexy Püppchen und den starken Beschützer.

Aber auch die Kleidung hat Auswirkung auf die nonverbale Kommunikation, oder?

Das stimmt. Ich zum Beispiel hatte erst mit 20 meine erste Jeans, davor gab es nur Röcke – was Sitzen mit eng zusammengedrückten Beinen bedeutete. Oder schauen Sie sich Schuhe an: Heute sind Sneakers weit verbreitet. Damit haben Frauen einen viel stabileren Gang als mit Stilettos, können grössere und sicherere Schritte machen, ihre Körpersprache wirkt so emanzipierter. Damit will ich nicht sagen, dass Frauen besser breitbeinig daherkommen sollen. Aber sie sollten sich der Wirkung bewusst sein.


Zur Person
*Antoinette E. Anderegg, seit 20 Jahren Inhaberin der Firma apriori image & communication und seit fünf Jahren Mitgründerin und Teilhaberin von nonverbales.ch, ist Körperspracheexpertin, Trainerin, Beraterin und Coach sowie Beraterin für Imagemanagement. Zu ihren Kunden gehören internationale Firmen wie Credit Suisse, Coca-Cola, Ruag oder Swisscom sowie die Eidgenössische Zollverwaltung, das Kantonale Personalamt, KMU und diverse Fachhochschulen, aber auch einzelne Mitarbeitende oder Privatpersonen.

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