Themen Im Fokus
Wissen

«Wer im Homeoffice arbeitet, ist produktiver.»

09.01.19

si_b8ccf7836b16cb66d8171b41a132f6b7.img

Arbeiten in den eigenen vier Wänden liegt im Trend. Viele Chefs fürchten jedoch, dass ihre Mitarbeitenden zu Hause weniger effizient sind. «Stimmt nicht», sagt Michael Beckmann. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Uni Basel plädiert für zwei bis drei Tage Homeoffice pro Woche.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr Beckmann, wie kann ich meinen Arbeitgeber überzeugen, mich tageweise zu Hause arbeiten zu lassen?
Indem Sie ihm klarmachen, dass er unter anderem Raummiete spart, wenn Sie zeitweise woanders arbeiten. Das stärkste Argument liefern jedoch empirische Studien. Diese zeigen ganz klar: Wer im Homeoffice arbeitet, ist produktiver. Zu Hause ist man ungestörter und arbeitet deshalb konzentrierter. Dies ist ein starker Indikator. Es gibt wenige Personalinstrumente, die empirisch so eindeutig sind.

Weshalb gibt es von Arbeitgebern dann oft den Einwand, zu Hause seien Angestellte weniger effizient?
Dahinter steckt meist die Annahme: fehlende Kontrolle der Arbeitszeit führe zum Faulenzen. Was laut Studien jedoch nicht haltbar ist. Zumal sich bei Telearbeit oder Arbeit am Internet für Vorgesetzte leicht nachprüfen lässt, wann Mitarbeitende eingeloggt sind.

Autonomie ist ein prima Motivationsinstrument

In einer Studie über Vertrauensarbeitszeit haben Sie untersucht, wie der Faktor Autonomie die Mitarbeiterperformance verändert.
Genau. Dabei haben wir gezeigt, dass Autonomie ein prima Motivationsinstrument ist. Der klassische Ökonom denkt beim Fördern von Motivation ja eher an Leistungsanreize wie Boni, Leistungsprämien oder Überwachung. Tatsächlich jedoch ist Autonomie, etwa in Form von Homeoffice-Tagen, viel wirkungsvoller. Voraussetzung hierfür jedoch ist, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden vertraut.

Autonomie motiviert Angestellte also, sich noch mehr zu engagieren?
Exakt. So zeigen die Ergebnisse unserer Studie, dass Beschäftigte, die weitgehende Kontrolle über ihre Arbeitsstunden haben, nicht weniger, sondern sogar mehr Arbeitseinsatz liefern.

Was heisst das genau?
Nach Abzug aller anderen Faktoren arbeiten Angestellte bei Vertrauensarbeitszeit pro Woche durchschnittlich 80 Minuten länger als Angestellte mit festen Arbeitszeiten. Somit widerlegt die Studie deutlich die Befürchtungen, dass fehlende Arbeitszeitkontrolle zum Faulenzen führt.

Ein Tag Homeoffice bringt für die Produktivität nicht viel

Nun verpasse ich durch Homeoffice aber vielleicht Meetings und bin abgeschnitten vom Infofluss. Wie viele Tage pro Woche sollte ich maximal zu Hause arbeiten?
Die empirische Evidenz zeigt: Ein Tag Homeoffice bringt für Ihre Produktivität noch nicht viel, ideal wären zwei bis drei Tage.

Wer regelmässig im Homeoffice arbeitet, macht allerdings keine Karriere, weil er zu wenig sichtbar ist – stimmts oder stimmts nicht?
Die Evidenz dazu ist zwar relativ schmal, aber tatsächlich haben Betroffene diesen Eindruck, ja. Nach dem Motto: «Aus den Augen, aus dem Sinn».

Kontrolle durch hohe Zielvorgabe

Besteht beim Arbeiten im Homeoffice nicht auch die Gefahr, dass ich dauernd erreichbar bin und sich die Grenzen von Arbeit und Freizeit verwischen?
Mag sein. Das Problem sind hier jedoch eher die Ziele, die Arbeitnehmer erreichen müssen. Diese werden von Vorgesetzten sehr ambitioniert gesetzt. Die Kontrolle des Chefs geschieht also durch eine extrem hohe Zielvorgabe.

Hat Ihrer Meinung nach das Homeoffice als Arbeitsform Zukunftspotenzial?
Auf jeden Fall! Im Zuge der Digitalisierung werden Telearbeit und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, weiter zunehmen. Ausserdem haben Arbeitnehmer immer stärker den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten – etwa, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Auch bei Arbeitgebern werden sich die Chancen des Homeoffices irgendwann rumgesprochen haben. Angesichts des offensichtlichen Mangels an Fachkräften müssen sie das Bedürfnis der Arbeitnehmer einfach stärker berücksichtigen.


Zur Person

Prof. Dr. Michael Beckmann hat eine Professur für Personal und Organisation in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Er beschäftigt sich mit Fragen der Personal- und Organisationsökonomie. So etwa mit Auswirkungen der Digitalisierung für Betriebe und Beschäftigte, Determinanten und Performance-Effekte von Mitarbeiterpartizipation oder Stress am Arbeitsplatz und Personalpolitik.

PS: Warum selber machen, wenn es Profis gibt? etextera unterstützt Sie beim Texten, Gestalten und Umsetzen Ihrer Kommunikationsprojekte. Sprechen Sie mit uns.