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«Rivalität hilft einem Team, gute Leistungen zu erbringen.»

04.10.19

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Im Joballtag wird Rivalität manchmal mit harten Bandagen ausgetragen. Wie wir uns dabei am besten verhalten und inwiefern Männer und Frauen unterschiedlich mit Konkurrenz umgehen, erzählt der Coach Martin Weiss*.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr Weiss, der Büronachbar konkurriert mit mir um die Teamleitung, die Kollegin hat bessere Ideen als ich: An Rivalität kann man wachsen – oder verzweifeln und kündigen. Glaubt man Studien, hat jeder Dritte deshalb schon mal seinen Job gewechselt.
Tatsächlich kommt es auf die Art der Konkurrenzsituation an. So gibt es am Arbeitsplatz gesunden wie auch ungesunden Wettbewerb. Rivalität ist gut, solange sie die Stimmung im Team nicht negativ beeinflusst. Sie hilft einem Team sogar, gute Leistungen zu erbringen, denn sie spornt an und bringt Projekte voran. Konstruktive Rivalität ist eine der Voraussetzungen für erstklassige Ergebnisse. Und – ganz wichtig – sie findet auf der Sachebene statt.

Wann ist Rivalität schlecht?
Wenn sie von der Sachebene auf die emotionale Ebene rutscht, uns also der Ärger mit wetteifernden Kollegen oder auch Neiddebatten ablenken. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn es dem Unternehmen schlecht geht und Kündigungen anstehen. Oder wenn die Leistungsziele sich vor allem auf Individuen richten und keine Teamziele sind.

Vorgesetzte spielen eine zentrale Rolle

Was sind die Folgen?
Mobbing zum Beispiel. Werden Kollegen systematisch erniedrigt und von Infos oder von Sozialem ausgeschlossen oder werden negative Gerüchte über sie in Umlauf gebracht, sprechen wir von Mobbing. Doch auch Burnout kann eine Folge negativer Rivalität sein – wenn sich Menschen vor lauter Konkurrenzdenken nur noch in die Arbeit stürzen.

Wie lässt sich verhindern, dass negative Rivalität entsteht?
Es kommt vor allem auf den Vorgesetzten an. Verheerend ist es, wenn er negative Rivalität akzeptiert oder sie gar als Spielwiese, als Teil des Geschäftes sieht und deshalb keine Grenzen setzt. Klare Regeln sind hier wichtig.

Woran denken Sie dabei?
Etwa an eine Team-Charta, die festlegt, wie wir miteinander umgehen und welche Konsequenzen Regelverletzungen haben. Wichtig ist auch, regelmässig gemeinsam zu reflektieren: Wie arbeiten wir im Team zusammen? Was ist gut, was schlecht? Gibt es Schwierigkeiten, die das Team nicht selbst bewältigen kann oder möchte, sollte man sich nicht scheuen, externe Unterstützung zu holen.

Rivalität darf nicht im Verborgenen stattfinden

Gehen Männer und Frauen unterschiedlich mit Konkurrenz im Job um?
Es gibt Studien, die aufzeigen, dass Männer Rivalität im Team eher offen leben und den Wettbewerbsgedanken auf der Sachebene austragen. Frauen hingegen scheinen tendenziell auf der Beziehungsebene zu rivalisieren. Sie tun dies eher im Verborgenen und rutschen dabei schneller in negative Rivalität ab. Hinzu kommt: Männer sprechen Sachen meist rascher an als Frauen. Unabhängig vom Geschlecht ist dies aber auch sehr von der Persönlichkeit der Einzelnen abhängig – manche gehen in Konkurrenzsituationen auf, empfinden dies als Spiel; andere sind zurückhaltender und arbeiten lieber an Sachzielen. Generell ist es wichtig, Rivalität anzusprechen und offenzulegen. Sie darf nicht im Verborgenen stattfinden.

Angenommen, mich stressen Wettbewerbssituationen im Büro – wie gehe ich damit um?
Wichtig ist: bei solchen Spielen nicht mitmachen. Stelle ich etwa fest, dass eine Kollegin meine Ideen klaut, muss ich sie direkt darauf ansprechen. Fruchtet das nicht, rede ich mit dem Vorgesetzten. Oder ich nehme ein Coaching in Anspruch, das mir hilft, mit solchen Situation umzugehen. Schwierig ist es hingegen, wenn Rivalität zur Unternehmenskultur gehört und ich merke, dass ich aufgrund meiner Persönlichkeit dort nicht reinpasse. In diesem Fall hilft nur, aus dem Haifischbecken zu steigen und sich eine andere Umgebung zu suchen.

Hat Rivalität am Arbeitsplatz zugenommen?
In einigen Bereichen schon, ja, zum Beispiel unter den Generationen, denn im Vergleich zu früher werden ältere Mitarbeitende heute weniger geschätzt. Ausserdem gibt es immer mehr selbst organisierte Teams ohne Vorgesetzte, die ein Machtwort sprechen. In solchen Teams ist es umso wichtiger, Regeln im Umgang miteinander zu etablieren und bei Missstimmungen frühzeitig einen Mediator ins Boot zu holen.


Zur Person
* Martin Weiss ist Inhaber von weiss-entwicklung. Der Arbeits- und Organisationspsychologe FH ist als Coach, Teamentwickler, Prozessbegleiter bei Organisationsentwicklungen und Klärungshelfer in Zürich tätig.

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