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«Mit kreativen CV sollte man Personaler lieber nicht verwirren.»

07.11.19


Schaden häufige Jobwechsel nach wie vor der Karriere? Wie bewerbe ich mich, wenn ich Stellen bisher immer schnell gewechselt habe? Der Headhunter und Psychologe Lucas Zehnder* erzählt von Umbrüchen in der Arbeitswelt und von Unternehmen, die ihrer Zeit voraus sind.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr Zehnder, wie lange sollte ich als Berufseinsteigerin im ersten Unternehmen bleiben, um nicht zu sprunghaft zu wirken?
Dafür gibt es keine Regel – vor allem, weil sich in der Arbeitswelt gerade so viel ändert. Lange Zeit galt die Faustformel «drei Jahre in einem Unternehmen» – doch das lässt sich längst nicht mehr generalisieren. Auf dem sich stetig schneller drehenden Arbeitsmarkt werden Arbeitsverhältnisse grundsätzlich immer mehr Projekten ähneln.

Ich muss mir also keine Sorgen mehr machen, als unzuverlässige Jobhopperin zu gelten, wenn ich häufiger den Arbeitgeber gewechselt habe?
Nein, so ist es leider auch nicht – zumindest noch nicht. Aufgrund der Digitalisierung ist die Arbeitswelt zwar momentan im Umbruch, ständig ist von flexiblen Modellen die Rede, doch wirklich realisiert wurde bisher wenig. Suche ich für Firmen nach Kandidaten, geben sich Unternehmen auf den ersten Blick häufig sehr modern, offen und flexibel. Auf den zweiten heisst es dann aber oft: «Homeoffice? Ach nein, lieber doch nicht. Jobsharing? Och, nö ...» Die Gesellschaft ist nun mal träge, Veränderungen brauchen Zeit.

Aus dem CV muss klar hervorgehen, wohin mein Weg führen soll

Hängt es von der Branche ab, ob sich häufige Jobwechsel negativ auf meine Karriere auswirken?
Eindeutig, ja. Versicherungen oder Staatsbetriebe zum Beispiel sind eher noch konservativ und tun sich im Gegensatz zu Start-ups schwer mit Sprunghaftem. Viel wichtiger finde ich es bei Bewerbungen aber, dass die Gründe stimmig sind, weshalb ich häufig meine Jobs gewechselt habe. Vor allem muss aus dem CV klar hervorgehen, wohin mein Weg führen soll.

Das müssen Sie genauer erklären.
Viele CV sind in ihrer Struktur 1998 stehen geblieben. Sprich: Bewerber gewichten alles gleichwertig, was sie jemals in ihrem Arbeitsleben gemacht haben – das Praktikum von 2006 genauso wie die letzten Jahre in Führungspositionen. Das ist jedoch altes Denken.

Wie wäre es besser?
Auf die Formalitäten sollten Bewerber nach wie vor achten, ich warne vor allzu kreativen CV. Das ist ein bisschen wie mit der Katze, die ihr Körbchen direkt neben dem Sofa hat und auf immer gleichem Weg dorthin gelangt: Stellen Sie das Körbchen an eine andere Stelle, ist sie verwirrt und findet ihren Platz nicht mehr. Genauso sind Menschen. Mit kreativen CV sollte man Personaler deshalb lieber nicht verwirren. Stattdessen würde ich als Bewerber in meinem CV auf Positionen, die mir wichtig sind, ausführlicher eingehen und diese detaillierter auflisten. Um zu erkennen, wie es um den eigenen CV bestellt ist, können Sie das Dokument zum Beispiel extrem verkleinern und dann aus der Vogelperspektive betrachten – dabei merken Sie schnell, wie Sie die einzelnen Positionen gewichtet haben. Im Zweifel lieber einige weglassen.

Niemand will mit unnötigen Informationen überfrachtet werden

Also Mut zur Lücke?
Genau. Es geht darum, Dinge wegzulassen, die nicht relevant für den Job sind. Die drei Monate Auszeit just for fun in Australien mögen ja spannend gewesen sein, haben aber vermutlich keinen Bezug zur Stelle und brauchen nur unnötig Platz. Ohnehin hat in Unternehmen heute keiner Zeit, so viel zu lesen, niemand will mit unnötigen Informationen überfrachtet werden. Deshalb: Haben Sie Mut, sich auf das Wesentliche zu beschränken, und denken Sie vor allem zukunftsgerichtet!

Wie meinen Sie das?
Ein Personaler möchte sofort sehen, weshalb Sie exakt die Richtige für die zu besetzende Stelle sind. Deshalb muss Ihr CV genau das signalisieren. In der Realität jedoch zeigen die meisten in die Vergangenheit – im Sinne von: Das und das habe ich alles schon gemacht – was jedoch der falsche Ansatz ist. Ein guter Lebenslauf ist auf die Zukunft gerichtet. Deshalb sollten Sie inhaltlich viel genauer auf den Job fokussieren, der Sie interessiert! Bauen Sie Ihr CV so auf, fallen häufige Jobwechsel gar nicht mehr so ins Gewicht.

Untersuchungen zeigen, dass die Möglichkeit zur Weiterentwicklung für Millennials ein wesentlicher Faktor im Job ist. Ist dies nicht möglich, suchen sie sich etwas Neues. Angst vor einem Wechsel haben dabei die wenigsten. Ist die negative Bewertung von Jobhopping also eine Frage der Generation?
Ja, da wird sich in Zukunft einiges tun. Momentan aber gibt es noch sehr viele 50+-Arbeitnehmer mit einem anderen Wertesystem. Eines der grössten Schweizer Unternehmen hat gerade einen grossen Versuch in Richtung «New Work» gestartet, sämtliche Hierarchien abgeschafft – und damit viele gute Mitarbeitende verloren. Viele Werktätige mögen es halt noch immer, wenn sie gesagt bekommen, was zu tun ist; zu viel Freiheit – aber auch Verantwortung – schreckt sie ab. Wir sind einfach noch nicht so weit – doch die Zeit wird kommen. Bis dahin aber ist es essenziell, die Älteren zu respektieren und einzubinden, auch im Sinne der Diversität. Wir brauchen einfach alle.


Zur Person
*Lucas Zehnder, Headhunter, Senior Consultant und Researcher bei hans hofmann & partner, vermittelt Führungs- und Fachkräfte. Er ist Bewerbungsexperte für jobs.ch, der grössten Schweizer Jobplattform, und teilt sein Wissen jede Woche auf seinem Youtube-Kanal.

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