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«Schaut man genau hin, arbeiten sämtliche Führungskräfte Teilzeit.»

04.03.20

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Arbeiten in Teilzeit ist gefragt – doch was, wenn auch die Chefin ihr Pensum reduzieren möchte? Unter welchen Bedingungen funktioniert Führung in Teilzeit? Arbeitspsychologe Felix Frei* über Vorgesetzte, die keinen Freiraum lassen, und Mitarbeitende, denen dies ganz recht ist.


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Herr Frei, lassen sich Teilzeitjobs mit Führungspositionen vereinbaren?
Ja, absolut. Schaut man genau hin, arbeiten sämtliche Führungskräfte Teilzeit. Führung ist ja nicht, was ein Chef tut, sondern eine Beziehungsfrage. Daher findet sie aus der Optik der Geführten ohnehin nur in Teilzeit statt. Sehr viele Aufgaben haben ausserdem nichts mit Führung im engeren Sinn zu tun, wie etwa Reporting oder Projektarbeit. Niemand ist 40 Stunden pro Woche mit Führen beschäftigt.

Führung in Teilzeit ist also der Normalfall – aber funktioniert sie auch?
Ich würde es umdrehen: Funktioniert Führung in Teilzeit gut, zeigt dies, dass jemand gut führt. Funktioniert es nicht, ist das ein Zeichen von schlechter Führung.

Weshalb?
Keinen Freiraum lassen und kontrollierend führen ist nicht Ziel von guter Führung. Oder anders gesagt: Funktioniert Teilzeitführung nicht, liegt es meist nicht an der Teilzeit. In so einem Fall sollte man weniger das Arbeitspensum infrage stellen, sondern lieber schauen, woran es tatsächlich hapert.

Heute reden Chefs in alles rein und arbeiten am meisten

Wie sieht die Realität in Unternehmen aus?
Ich beobachte zwei Trends: Zu Anfang meiner Tätigkeit als Berater vor über 30 Jahren haben Führungskräfte viele Privilegien genossen, damals haben sie auch noch viel delegiert. Heute wiederum reden Chefs zunehmend in alles rein – oder aber sie sind abwesend. Gleichzeitig arbeiten sie am meisten.

Und der zweite Trend?
Karrieremachen hat heute einen wichtigen Stellenwert, was immer noch gleichgesetzt wird mit Innehaben einer Führungsposition. Allerdings wird der berufliche Aufstieg vor allem in der Präsenzzeit ausgefochten. Arbeiten Sie also Teilzeit, sind nicht Ihre Mitarbeitenden das Problem, sondern gleichgestellte, in Vollzeit arbeitende Konkurrenten, die sichtbarer und lauter sind. Deshalb streben Führungskräfte sehr viel weniger Teilzeitarbeit an als eigentlich angemessen wäre. Beide Trends zusammen – kontrollierte Führung sowie wenig Bereitschaft zu Teilzeit bei Führungskräften aus Karrieregründen – gehen eine unheilige Allianz mit dem Zeitgeist ein.

Führung muss als Rolle verstanden werden, nicht als Stellenprofil

Was bedeutet das konkret?
Dass wir ein neues Selbstverständnis von Führung brauchen und uns dabei idealerweise am Teilzeitmodell orientieren. Denn sämtliche Aspekte, die bei Teilzeitführung unabdingbar sind, garantieren auch gute Führung. So sollten Mitarbeitende nicht nur wissen, was von ihnen erwartet wird, sondern auch, was sie vom Chef erwarten dürfen. Ausserdem muss Führung als Rolle verstanden werden, nicht als Stellenprofil. Schliesslich kann eine Person mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen. Geht man von diesem Rollenverständnis aus, wird klar, dass Führung nicht hundertprozentig und zu jeder Zeit als aktives Tun stattfinden muss. Diese Erkenntnis wäre ein erster Schritt hin zu nicht hierarchischer Führung und würde den Boden für Führung in Teilzeit ebnen.

Sind Sie zuversichtlich, dass Führung in Teilzeit künftig alltäglicher wird?
Ja, schon allein wegen der Gleichstellung der Geschlechter wird dies noch viel mehr Einzug halten, schliesslich arbeiten momentan vor allem Frauen Teilzeit. Aber auch der Nachwuchs in den Unternehmen will zunehmend weg von patronaler Führung. Es reicht nämlich nicht, dass Vorgesetzte ihren Stil ändern, offener führen und mehr Verantwortung abgeben – auch die Untergebenen müssen mitziehen. Daran hat es in den letzten Jahren ebenfalls oft gehapert. Dass es sich nicht bewährt, Leuten das Denken abzunehmen und ihnen keine Verantwortung zu übertragen, sollte langsam klar sein.

 

*Zur Person
Der Arbeitspsychologe Felix Frei war viele Jahre Dozent für Arbeits- und Organisationspsychologie in der Abteilung für Informatik an der ETH Zürich sowie an den Universitäten Basel, Bern, Bremen und Zürich. Er war 1987 Mitgründer der AOC Unternehmensberatung in Zürich, Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Swiss Data Alliance, wissenschaftlicher Berater bei Flourister, ehemaliger Kolumnist, gefragter Referent und ist Autor mehrerer Managementbücher.

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