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«Wer seine Aufgaben nicht überblickt, kann nicht delegieren.»

08.05.20

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Wir kommunizieren auf allen Kanälen, finden aber vor lauter Meetings, E-Mail-Flut oder drängelnden Kunden und Kollegen oft zu wenig Zeit, um tatsächlich zu arbeiten. Wie wir produktiver werden – auch im Homeoffice – und weshalb Multitasking nicht funktioniert, erzählt Produktivitätscoach Ivan Blatter*.


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Herr Blatter, wie lassen wir uns bei der Arbeit weniger ablenken?
Das Wichtigste ist, Grenzen zu setzen – für sich selbst, aber auch gegenüber anderen. Erreichbar sein heisst nicht, immer verfügbar zu sein. Nehmen Sie sich bewusst Zeit: Eine Stunde etwa, in der Sie sich nicht stören lassen – am Morgen oder am Nachmittag, wie es in Ihren Tagesablauf passt.

Seit einigen Wochen arbeitet die halbe Welt im Homeoffice, Grenzen setzen ist eine Herausforderung geworden. Wie holen wir jetzt aus der wenigen Arbeitszeit, die neben den Alltagsaufgaben verbleibt, das Maximum heraus?
Struktur und Freiheit lauten hier die wichtigsten Schlagworte. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass wir zu Hause in dieser besonderen Situation gleich produktiv sind wie im Büro. Zu sehr lenken Kinder, Partner oder Hund ab. Zusätzlich haben wir es mit einer komplett neuen Situation zu tun, womöglich kommen Ängste um den Arbeitsplatz hinzu. Deshalb ist es wichtig, das plötzlich aufgetretene Vakuum mit neuen Routinen zu füllen. Dazu gehört auch die Frage: Wann fange ich an zu arbeiten, wann höre ich auf? Halten Sie sich dann konsequent an diese Grenzen.

Was hat dies mit der von Ihnen erwähnten Freiheit zu tun?
Ich meine damit die Freiheit, sich selbst eine neue Struktur zu geben – etwa von 10 bis 11 Uhr das Kind beim Homeschooling zu unterstützen und dann mit dem Partner abzuwechseln. Es geht darum, beim Einteilen der Zeit bewusst umzudenken.

Sobald unsere Aufmerksamkeit gefragt ist, können wir uns nur auf eine Aufgabe konzentrieren.

Was halten Sie von Multitasking?
Überhaupt nichts. Studien zeigen klar: Sobald unsere Aufmerksamkeit gefragt ist, können wir uns nur auf eine Aufgabe konzentrieren. Natürlich kann man kochen und nebenher Radio hören – weil es für beides keine volle Konzentration braucht. Aber gleichzeitig einem Videocall folgen und eine E-Mail schreiben, das funktioniert nicht – mindestens eines davon leidet, und die Fehlerquote steigt massiv. In der Arbeitswelt müssen wir allerdings oft schnell zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herspringen. Deshalb mein Tipp: Versuchen Sie so oft und so lange wie möglich, sich nur auf eine Sache zu fokussieren. Lassen Sie Multitasking nur zu, wenn es nicht anders geht und die Aufgaben es erlauben. Vergessen Sie aber die Nachteile davon nicht.

Es gibt unterschiedliche Tipps, um im Selbstmanagement produktiver zu arbeiten. Die sogenannte Pomodoro-Technik etwa rät, Arbeit in jeweils 25-minütige Intervalle zu unterteilen, gefolgt von fünf Minuten Pause. Was halten Sie von solchen Ansätzen?
Funktioniert das gut für Sie – prima! Die Aufgaben von klassischen Führungskräften hingegen sind in der Regel eher kürzer; 25 Minuten, um ein Thema zu bearbeiten, sind meist zu lang. Für Grafiker oder Texter hingegen ist diese Zeitspanne eher zu kurz, diese müssen schon 60 Minuten an der Arbeit bleiben können, sonst bringt das nichts. Und genau das ist die Herausforderung beim Zeitmanagement: Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht. Die beste Strategie muss jeder für sich selbst finden.

Menge und Häufigkeit von Kommunikation haben extrem zugenommen 

Sie sind seit zehn Jahren als Produktivitätscoach tätig – wie hat sich in dieser Zeit die Arbeitswelt verändert?
Die grösste Veränderung ist natürlich die Digitalisierung. Aber auch die Menge und die Häufigkeit von Kommunikation haben extrem zugenommen, von Unterbrechungen im Arbeitsprozess ganz zu schweigen. Sich gut zu organisieren, ist heute wichtiger denn je.

Angenommen, ich will produktiver arbeiten – was raten Sie mir konkret?
Im ersten Schritt sollten Sie sich klar werden: Was müssen Sie alles erledigen? Wer seine Aufgaben nicht überblickt, verzettelt sich, kann nur schwer planen, delegieren oder eine «Könnte ich machen»-Liste erstellen. Anschliessend überlegen Sie: Was erledige ich wann? Planen Sie möglichst genau – mit Zeitangaben und Puffer. Verteilen Sie also Ihr Zeitbudget auf die Aufgaben. Und priorisieren Sie! Im dritten Schritt gilt es dann zu überprüfen: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Was will ich im Job erreichen? Was ist wirklich wichtig? Meist werden wir durch den Alltag getrieben und haben wenig Zeit zum Nachdenken.

Sprechen Sie bewusst von der «Könnte ich machen»- Liste statt von «to do»?
Ja, weil Letzteres so verkrampft klingt. Wir kennen es alle: Die Liste wird immer länger statt kürzer, besteht aus vielen Ladenhütern, und wir wissen, dass wir eh nie alles schaffen. Um den Druck rauszunehmen, geben wir ihr also einen anderen, realistischeren Namen. Dann schaue ich regelmässig auf die Liste und prüfe, was ich erledigen kann – ohne Anspruch, alle Punkte abarbeiten zu wollen.

 

Zur Person
«Arbeite klüger – nicht härter», lautet das Motto von *Ivan Blatter. Er ist Produktivitätscoach und führt seine Kunden dazu, stressfrei zu arbeiten und mehr zu erreichen. So hilft er Solopreneuren und Unternehmern, ihr persönliches Zeitmanagement zu verbessern. Ausserdem unterstützt er Firmen dabei, die Produktivität ihrer Teams zu erhöhen – ohne sie unter Druck zu setzen.

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