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«Männer bewerben sich mutiger auf Stellen, deren Jobanforderungen sie nicht ganz erfüllen.»

04.08.20

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Soll ich warten, bis der Chef zufällig meine Erfolge entdeckt, oder mache ich besser explizit darauf aufmerksam? Weshalb es wichtig ist, Werbung in eigener Sache zu betreiben, und was das Ganze mit Storytelling zu tun hat, erzählt Coach Evelyn Wenzel*.


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Frau Wenzel, wie stehen Sie zu folgender Aussage: «Leistung allein reicht nicht, ohne Selbstmarketing macht man keine Karriere» – richtig oder falsch?
Gegenfrage: «Ist das linke oder das rechte Bein wichtiger?» Fakt ist: Beide braucht man zum Gehen. Was nützt es, wenn ich ein Genie bin, dies aber niemand weiss und ich nicht zu einem Unternehmen finde? Mit etwas Glück werde ich empfohlen; falls nicht, ist Selbstmarketing essenziell. Leistung und Selbstmarketing gehen deshalb Hand in Hand.

Was genau ist Ziel des Selbstmarketings?
In kürzester Zeit eine positive Verbindung zum Wunschgegenüber aufzubauen, und zwar am besten bei jedem Berührungspunkt – sei es im Gespräch, bei der Bewerbung oder auf sozialen Websites. Dafür muss man sich allerdings gut kennen und wissen: Wofür stehe ich? Worin bin ich Experte? Was ist an mir einzigartig?

Sich selbst zu vermarkten, fällt jedoch vielen schwer.
Es gibt introvertierte und extrovertierte Menschen, und die Art und Weise, wie diese sich darstellen, unterscheidet sich oft ebenso. Wem es leichter fällt, aus sich herauszugehen, hat weniger Mühe, sich zu präsentieren. Oft sind diese Menschen in Bereichen mit viel Austausch tätig, etwa im Marketing, im Vertrieb oder im Speaker Business. Weniger expressive Menschen haben grössere Mühe, sich zu verkaufen, und stellen lieber ihre Kompetenzen in den Vordergrund.

Männer bewerben sich mutiger auf Stellen, deren Anforderungen sie nicht ganz erfüllen

Insbesondere Frauen scheinen oft Schwierigkeiten zu haben, sich nach aussen zu positionieren.
Ja, das ist häufig der Fall und zeigt sich oft auch im Bewerbungsprozess. Männer bewerben sich mutiger auf Stellen, deren Jobanforderungen sie nicht ganz erfüllen. Frauen hingegen bewerben sich eher, wenn sie über 90 Prozent der Anforderungen erreichen. Generell fallen viele Frauen lieber durch Taten und Ergebnisse auf, anstatt Selbstmarketing zu betreiben. Doch manchmal reicht dies nicht.

Was raten Sie Menschen, denen es schwerfällt, sich zu verkaufen?
Am Ende des Tages setzen sich glücklicherweise meist Fähigkeiten, Kompetenzen und gute Ideen durch und nicht Schaumschlägereien. Doch es kommt dabei sehr auf die Führungskraft an: Ist diese nicht egodominiert, sondern hat die Grösse, jemanden über das eigene Level hinaus zu fördern, braucht es weniger Selbstmarketing. Setzt der Chef hingegen eher auf Effekte, gilt es, sich gut zu verkaufen. Am erfolgreichsten ist dies, wenn das Team dafür gemeinsam die unterschiedlichen Fähigkeiten der Mitglieder bündelt, sich zusammentut und kollaboriert.

Angenommen, ich will mich innerhalb des Teams oder für einen neuen Job besser vermarkten. Wie gehe ich konkret vor?
Früher hätten Sie bei dieser Gelegenheit viel über sich erzählt. Heute geht es darum, aufzuzeigen, was Sie für den Kunden oder das Unternehmen erreichen können. Ein Perspektivenwechsel ist also gefragt, weg von «Was habe ich schon alles gemacht?» hin zu «Welchen Nutzen biete ich Ihnen konkret?». Zeigen Sie, dass Sie für den entsprechenden Job die Richtige sind. Reden Sie weniger von sich, hören Sie stattdessen mehr zu und finden Sie heraus, was genau Ihr Gegenüber braucht. Je schneller der andere versteht, welchen Nutzen Sie bringen, umso besser ist Ihr Selbstmarketing. Und denken Sie vor allem an die Geschichte!

Was ist meine Geschichte? Was hat sie mit meinem beruflichen Wirken zu tun?

Geschichte?
Ja, denn Selbstmarketing ist nichts anderes als Storytelling. Statt Ihre Erfolge in nüchterne Zahlen zu packen, erzählen Sie das Ganze lieber als Geschichte, in der Personen vorkommen. Der Inhalt ist dann zwar derselbe, aber er ist so viel erlebbarer und wirkt stärker. Deshalb gilt es zu überlegen: Was ist meine Geschichte? Was hat sie mit meinem beruflichen Wirken zu tun? Wie erzähle ich diese, um eine Verbindung aufzubauen?

Und was sollte man beim Selbstmarketing besser vermeiden?
Extremes Aufbauschen, Versprechen, die sich nicht halten lassen, jede Form von Fake. Aber auch die Messlatte nicht so hoch setzen, dass Sie nur enttäuschen können oder sich geradewegs ins Burn-out arbeiten. Ausserdem gilt es zu bedenken: Beratungen sind nicht mehr gefragt, stattdessen wünschen sich Unternehmen heute hilfreiche Werkzeuge und Strategien, mit denen sich Prozesse vereinfachen lassen, kurz: Hilfe zur Selbsthilfe. Schliesslich befinden wir uns in einer Sharing- und Caring-Gesellschaft; kollaboratives, vernetztes Arbeiten ist gefragt. Überlegen Sie also, was Sie davon liefern können.

 

Zur Person
*Evelyn Wenzel ist Gründerin und Geschäftsführerin der Stärkenschmiede GmbH in Zürich. Sie begleitet Führungskräfte und Teams auf dem Weg zu ihren Stärken, zur erfolgreichen Zusammenarbeit, zu Resilienz, Arbeitsfreude und Authentizität.

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