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«Tourismusbetriebe müssen bereit sein, die Extrameile zu gehen»

31.08.21

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COVID-19 hat die Tourismusbranche an den Rand des Abgrunds gebracht und das Vermitteln von Wissen an Schulen und Weiterbildungsinstituten komplett umgekrempelt. Nicole Diermeier* ist seit Anfang 2021 Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin an der Höheren Fachschule für Tourismus und somit doppelt betroffen. In unserer Fokus-Story spricht sie über neue Unterrichtsformen und wie es im Tourismus gelingt, den Kampf gegen den Faktor «Preis» zu gewinnen.


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Frau Diermeier, «Weiterbildung» und «Tourismus» sind zwei Wirtschaftszweige, die die Pandemie schwer getroffen hat. Wie haben Sie die ersten acht Monate in Ihrer neuen Funktion als Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin der Höheren Fachschule für Tourismus (IST) erlebt?
Ich habe eine sehr spannende und intensive Zeit erlebt. Unter anderem hat uns COVID-19 dazu gezwungen, den Unterricht online durchzuführen Zudem haben wir während des Homeschoolings an unserem Standort in Zürich viel in den Umbau und die Modernisierung unserer Infrastruktur investiert.

Wie hat die Pandemie den Schulalltag geprägt, und wie wirkt sie sich Ihres Erachtens mittel- und langfristig auf den Unterricht aus?
Rückblickend betrachtet hatte die Pandemie auch ihr Gutes: Wir mussten uns sehr rasch darüber klar werden, welche Fächer sich ebenso gut – oder sogar besser – online vermitteln lassen. Davon profitiert dank einem kleineren CO2-Fussabdruck auch unsere Umwelt. Selbstverständlich ist es bei gewissen Themen nach wie vor erforderlich, dass unsere Lernenden direkt vor Ort sind. Meiner Meinung nach wird ein «Hybrid» den Unterricht der Zukunft prägen: Onlineunterricht kombiniert mit Präsenzunterricht. Denn der persönliche Austausch ist aus meiner Sicht nach wie vor unverzichtbar.

Während der Pandemie geriet die Klimadebatte etwas in den Hintergrund. Doch dieser Sommer hat uns die erschreckenden Folgen des Klimawandels vor Augen geführt. Bieten Sie Studiengänge an, die auf das Thema Nachhaltigkeit eingehen?
Durchaus. Wir bieten seit Kurzem den Nachdiplom-Studiengang «Tourismusmanager/in» mit drei ganz neuen Vertiefungsmodulen an. Dies ist aktuell einzigartig in Europa. Der Fokus richtet sich dabei auf die Themen «Nachhaltigkeit», «Outdoormanagement» und «Digital Tourismus to go». Unternehmen im Tourismus müssen heutzutage auf einer Vielzahl von Fachgebieten à jour sein. Mit dieser Erweiterung des Angebots tragen wir diesem Umstand Rechnung.

Was muss ich mir unter «Digital Tourismus to go» vorstellen?
Die Digitalisierung hat auch im Tourismus Einzug gehalten. Darum vermitteln unsere Dozenteninnen und Dozenten praxisorientiertes Fachwissen zu den Themen Digitale Transformation, Digitalisierung entlang der Wertschöpfungskette, E-Commerce, Gamification und vielem mehr. Die nötige Praxis erhalten die Studierenden in einem mehrtägigen Off-Campus-Format mit Workshops, Simulationen und Besichtigungen vor Ort in Unternehmen. So gelingt es uns, die Theorie mit der Praxis zu verbinden.

Halten Touristen vermehrt Ausschau nach nachhaltigen Angeboten und entscheiden sich bewusst dafür?
Aktuell sind solche Touristen noch klar in der Minderzahl. Umweltproblematik hin oder her, der Entscheid läuft nach wie vor häufig über den Faktor Preis. Trotz allen Katastrophen, die wir überall auf der Welt beobachten, ist dies leider immer noch die Realität.

Wenn der Kaufentscheid mehrheitlich durch den Preis bestimmt wird: Kann der Tourismus in der Schweiz mit billigeren ausländischen Destinationen überhaupt konkurrieren?
Ja, dem ist so. Die Vergangenheit hat klar gezeigt, dass Touristen bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen, wenn ihnen ein unvergessliches Erlebnis und/oder eine aussergewöhnliche Serviceleistung geboten werden. Dies ist meines Erachtens eine der grössten Aufgaben, der sich Tourismusunternehmen in der Schweiz stellen müssen: Wo und wie kann ich die Extrameile für meinen Gast gehen? Wie gelingt es mir, meine Gäste durch meine Kompetenz und mit innovativen Produkten zu begeistern?

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Die Gäste erwarten, dass sie eine Unterkunft und eine tolle Bergtour mit Guide buchen können. Sie möchten zudem vom Gastgeber weiterführende Informationen zu Flora und Fauna, den Bergen usw. erhalten. Und bekommen vielleicht sogar ein liebevoll gepacktes Lunchpaket mit Bergsteiger-Kraftfutter mit auf den Weg. Idealerweise fragt sie der Gastgeber nach der Tour, ob sie ein tolles Erlebnis gehabt haben, und bietet ihnen ein erfrischendes Getränk an, um den Abend einzuläuten.


Zur Person
*Nicole Diermeier ist seit Anfang 2021 Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin der IST, Höhere Fachschule für Tourismus in Zürich und Lausanne. Zudem amtet sie als Verwaltungsrätin bei der Rigi Bahnen AG, der Fred Tschanz AG sowie der Schwyz Tourismus AG. Davor war sie bei Schweiz Tourismus in verschiedenen Positionen tätig, unter anderem als Leiterin Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung. Den Ausgleich zu ihrem intensiven Berufsalltag findet Nicole Diermeier auf Ski- und Bergtouren sowie beim Reisen.

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