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«Ist die Botschaft eines Unternehmens gut, wird sie vom Journalisten übernommen»

19.05.16

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Wie beantwortet man telefonische Anfragen von Journalisten rasch und kompetent? Und was macht ein Medienverantwortlicher, wenn er zu einem Thema nichts sagen darf? Mediencoach Oliver Schroeder über off the record-Gespräche und wie Unternehmen mediale Aufmerksamkeit nutzen können.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Herr Schroeder, das Telefon klingelt, ein Journalist benötigt eine Stellungnahme. Wie reagiert der Kommunikationsverantwortliche eines Unternehmens im Idealfall?

Er sollte offen sein und sich als Dienstleister verstehen, vor allem auch in kritischen Situationen. Schliesslich sitzt er an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit. Trotz Zeitdruck gilt es möglichst schnell, das Vertrauen des Journalisten zu gewinnen. Und zu klären: Um welche Themen geht es? Gibt es einen Fragenkatalog vorab? Werden Zitate später zum Gegenlesen geschickt? Vor allem aber sollte der Kommunikationsverantwortliche schnell in einen Fragemodus gelangen – und zwar bevor er selbst beginnt, Antworten zu geben.

Wie meinen Sie das?

Als Medienverantwortliche müssen Sie unbedingt den Kontext herausfinden. Was ist das für ein Journalist, der da anruft? Was will er? Hat er bereits einen Plot im Kopf, eine Arbeitsthese? Aber auch: Hat er überhaupt schon recherchiert? Was ist sein Vorwissen? Es ist heute eine regelrechte Unsitte – zum Teil auch aufgrund der Arbeitsbedingungen – dass Journalisten sich oft nicht mal auf der Firmen-Website informieren, bevor sie die Pressestelle anrufen. Professionelle Medienverantwortliche brauchen aber professionell recherchierende Journalisten.

Transparenz schafft Vertrauen

Nun kann, will oder darf der Kommunikationsverantwortliche zum angefragten Thema vielleicht gar nichts sagen. Wie sieht dann seine bestmögliche Reaktion aus?

Wichtig ist einem solchen Fall: Transparenz schaffen. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden KESB stecken beispielsweise in einem permanenten Dilemma, weil sie sich aufgrund von Persönlichkeitsrechten über konkrete Fälle nicht äussern dürfen und in der Öffentlichkeit zum Schweigen verdammt sind. Ich empfehle in solchen Situationen: Offen sagen, wozu man keine Stellung nehmen kann, in einem zweiten Schritt dies begründen und anschliessend ein Kommunikationsangebot machen. Also zum Beispiel erklären, was das Verständnis der Behörde ist und wie sie mit solchen Dingen grundsätzlich umgeht. Dies schafft Transparenz, und Transparenz erzeugt Vertrauen.

Wo liegen generell die Fallstricke wenn ein Journalist ein telefonisches Statement will?

Unvorbereitet drauf los antworten ist ein Grundfehler. Medienverantwortliche sollten sich unbedingt Zeit nehmen. Schliesslich ist die Welt komplexer geworden, auch innerhalb der Unternehmen. Es gibt immer mehr Fachleute, die eingebunden werden wollen. Von daher muss man nicht sofort antworten – aber eine verbindliche Zusage machen, wann mit Antworten zu rechnen ist. Und sich daran auch unbedingt halten.

Und wenn der Journalist mit Testballons kommt, wie etwa «Wir haben von einem Ihrer Mitarbeiter gehört, dass …?»

Dann weder in Panik geraten noch ins Plaudern kommen, sondern nüchtern zurück fragen: «Woher haben Sie diese Info?» Ausserdem sollte sich ein Kommunikationsverantwortlicher davor hüten, zu komplex und detailliert zu antworten. Seine Antwort muss verstanden werden, dann hat auch die Botschaft eine Chance anzukommen. Stellt der Journalist immer dieselbe Frage in zehn unterschiedlichen Versionen, lässt man sich als Mediensprecher nicht beirren, sondern gibt in zehn verschiedenen Varianten immer die gleiche Antwort. Aber keine Halbwahrheiten! Der alte Grundsatz gilt auch heute noch: Nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden. Aber alles, was gesagt wird, muss wahr sein.

Letztendlich ist alles öffentlich, auch off the record-Gespräche

Wie verhält es sich mit sogenannten off the record-Informationen, also nicht zur Veröffentlichung gedachtem Hintergrund-Wissen, die der Mediensprecher dem Journalisten gibt?

Ein guter Kommunikationsverantwortlicher ist sich bewusst, dass alles öffentlich werden kann, auch off the record-Gespräche. Dinge, die absolut nicht in die Öffentlichkeit gehören, sollten auch nicht mit Journalisten besprochen werden. Ausserdem würde ich mich davor hüten, E-Mail-Anfragen zu beantworten, ohne ein persönliches Gespräch mit dem Journalisten geführt zu haben. Hier ist zwar die Chance gross, dass Sie richtig zitiert werden, aber Sie kennen den Kontext nicht, in dem Ihre Aussagen erscheinen. Und das halte ich für ganz zentral. Deshalb immer zunächst absichern: Auf welchem Planeten ist der Journalist unterwegs?

Wie schafft man es als Unternehmen, die Aufmerksamkeit der Medien für sich zu nutzen?

Die zynische Antwort lautet: Jede Krise hilft. Nicht umsonst setzt sich im Chinesischen das Wort Krise aus den Schriftzeichen für «Gefahr» und «Gelegenheit» zusammen. Will ein Unternehmen eine Krise nutzen, muss diese vor allem gut gemanagt und professionell kommuniziert werden. Dazu gehört zum einen eine stabile und vertrauensvolle Beziehung zu allen Steakholdern, zum anderen müssen die Verantwortlichen sich im Klaren sein, wie kommuniziert werden soll. Nicht der Kanal ist hier der Ausgangspunkt, nicht das Zielpublikum, sondern einzig der Inhalt. Nur damit können Sie heute Aufmerksamkeit erzielen. Damit dieser ankommt, braucht es journalistisches Handwerk. Ein gutes Unternehmen arbeitet also wie ein Medienbetrieb – mit dem einzigen Unterschied, dass es im Gegensatz zum Journalismus nicht unabhängig ist.

Ist die Botschaft eines Unternehmens gut, wird sie auch vom Journalisten übernommen

Nun klagen aber viele Kommunikationsfachleute, dass ihre Botschaften nicht in der Öffentlichkeit ankommen, weil Journalisten diese nicht aufnehmen.

Die Aufgabe eines Medienverantwortlichen ist es, Verständnis für das Unternehmen und seine Produkte herzustellen. Ein Journalist liefert dem Leser darüber hinaus Bewertung und Einschätzung. Letzteres würden Medienverantwortliche auch gerne. Doch dies liegt nicht in ihrer Hand. Ich sage: Ist die Botschaft eines Unternehmens gut, wird sie auch vom Journalist übernommen. Passiert dies nicht, liegt es eher an der Botschaft selbst und ihrer unverständlichen oder unglaubwürdigen Herleitung.

Was erwartet Kommunikationsfachleute künftig?

In den letzten Jahren haben wir eine tiefgreifende digitale Transformation erlebt, ziemlich alles hat sich verändert. Für die Zukunft braucht es in der Unternehmenskommunikation deshalb eine noch stärkere Professionalisierung, Dynamisierung und Ausdifferenzierung. Geblieben ist einzig der Kern: Gute Kommunikation verlangt nach wie vor Denkarbeit. Denn Botschaften müssen heute mehr denn je so gestrickt sein, dass Menschen sie verstehen und ihre Absender spüren. Nur dann funktionieren sie. Hier braucht es Kommunikationsfachleute, die dieses Business verstehen.

Zur Person

Der Mediencoach und gelernte Journalist Oliver Schroeder unterstützt seit über 15 Jahren namhafte Persönlichkeiten aus Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen, um öffentlich überzeugender aufzutreten. Er begleitet in kommunikativ herausfordernden Situationen – als Coach, Sparringpartner und Trainer. Darüber hinaus ist er Studienleiter für CAS Rhetorik & Moderation/ Medientraining am Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern.




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