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«Für Frauen braucht es ganz andere Motivationssysteme»

14.08.14

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Der Personalberater Christian Böhnke* von «Hunting Her», der weltweit ersten internationalen Personalvermittlung für weibliche High-Potentials, über das schwierige Unterfangen, Frauen abzuwerben. Und weshalb diese mit ihrer Einstellung zur Work-Life-Balance Vorreiterinnen sind.


Redaktion/Interview: Text- und Übersetzungsagentur etextera

Herr Böhnke, weshalb braucht es eine Headhunting-Agentur ausschliesslich für Frauen?

Weil ein Personalberatungsunternehmen gezielter arbeiten kann, wenn es sich auf eine Zielgruppe beschränkt. Die eigentliche Frage müsste lauten: Weshalb gab es bis 2007, als wir bei Hunting Her damit begannen, keine spezifische Personalvermittlung für Frauen? Das ist das eigentlich Groteske.

Was ist anders, wenn man eine weibliche Führungskraft für einen Posten sucht?

Weibliche Manager mit Führungserfahrung machen nur etwa 15 bis 20 Prozent aus. Dies erhöht den Aufwand, jemand geeignetes zu finden. Vor allem wenn Sie eine Person mit IT-Hintergrund, Führungserfahrung und am besten auch noch für eine Stelle in einer ländlichen Region suchen. Unsere Datenbank umfasst im deutschsprachigen Raum 4500 Profile. Und seit wir 2007 unser Konzept entwickelten, stieg die Nachfrage kontinuierlich.

Frauen sind loyaler gegenüber Arbeitgebern

Was können Frauen besser?

Auch wenn ich dafür Klischees bedienen muss: Generell unterscheidet sich die Kompetenzbreite von Männern und Frauen. So sind Frauen meist kommunikativer, arbeiten weniger mit Ellenbogen. Und sind ausserdem loyaler gegenüber Arbeitgebern. Letzteres macht es gleichzeitig für Headhunter wie uns so schwer, Frauen für einen anderen Job zu begeistern. Fühlt sich eine Frau in ihrem Job nämlich gewertschätzt, ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, diese abzuwerben – selbst wenn sie dadurch Karrierechancen verpasst.

Wie ist es um die weibliche Selbstvermarktung bestellt?

Generell gilt: Niemand wird Sie fördern, wenn Sie Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse nicht publik gemacht haben. Ähnliches trifft auch für Gehaltsverhandlungen zu. In beiden Punkten stellen Frauen immer noch ihr Licht unter den Scheffel. Eine ganz typische Episode in diesem Zusammenhang: Als eine gute Kollegin von mir einen neuen Job in Aussicht hatte, fragte ich sie, mit welchen Vorstellungen sie in die Gehaltsverhandlung gehen wolle – im Wissen, dass sie bei ihrem vorherigen Arbeitgeber ein Jahresgehalt von gut 300‘000 Euro hatte. Im Laufe unseres Gesprächs schraubte sie ihre Vorstellungen darüber jedoch immer weiter runter, ohne dass ich irgendetwas in diese Richtung gesagt hätte – so dass sie zum Schluss ihr bisheriges Jahresgehalt fast halbiert hatte. Wäre ich Personalchef, wäre sie mit dieser Einstellung schon aus dem Rennen. Denn wer glaubt, derart überbezahlt zu sein, ist nicht die Richtige für einen 300‘000 Euro-Posten.

Weibliche Führungskräfte aus dem mathematisch, naturwissenschaftlichen Bereich sind gefragt

Aus welcher Branche gibt es die meisten Nachfrage nach weiblichen Führungskräften?

Die Nachfrage ist nicht so sehr branchenspezifisch; generell aber wird der so genannte MINT-Bereich am meisten nachgefragt – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Das ist auch der Grund, weshalb wir mit einigen Partnern aus Politik, Universitäten und Unternehmen die Frauen-Initiative #MINTme gegründet haben. Denn in diesen Fächern liegt der Frauenanteil jeweils nur bei 20 bis 25 Prozent.

Dabei sind Frauen von den Noten im Schnitt deutlich besser als ihre männlichen Kollegen – doch irgendwann ziehen diese auf der Karriereleiter an ihnen vorbei.

Ja, das ist leider tatsächlich so. Meistens in der Zeit der Familiengründung, zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Dies ist der Zeitpunkt, an dem erfolgreiche Karrieren unterbrochen und oft nie wieder so fortgesetzt werden – zumindest bei uns im deutschsprachigen Raum.

Vereinbarkeit von Familie und Karriere – geht das überhaupt ihrer Erfahrung nach?

Eine längere Babypause ist sicher ein absoluter Karrierekiller – jedenfalls was Jobs im Top-management betrifft. Generell lassen sich zwar Familie und Karriere schon vereinbaren, aber es ist eine extreme Doppelbelastung. Das Entscheidende dabei ist: Der Arbeitgeber muss mitspielen und vor allem der Partner.

Weshalb ein grosses Auto kein Anreiz ist

Nun verzichten viele Frauen bereits für die Karriere auf längere Babypausen – oder sogar komplett auf Kinder. Und trotzdem sind sie etwa im Bereich Topmanagement nach wie vor unterrepräsentiert. Weshalb?

Die Gründe dafür sind vielfältig: Gewachsene Netzwerke und Seilschaften von Männern etwa. Aber vor allem legen Frauen ein komplett anderes Anspruchsdenken an den Tag und setzen andere Schwerpunkte was Wert- und Lebensvorstellung angehen. Eine mir bekannte Managerin schlug zum Beispiel einen 7er BMW als Firmenwagen aus, weil sie lieber ihr Mini Cabrio weiter fuhr. Mit diesem banalen Beispiel will ich sagen: Für Frauen braucht es ganz andere Motivationssysteme. Da müssen Firmen umdenken. Viele Frauen, die das Potential hätten, gehen lieber einen Schritt zurück oder bleiben im alten, ruhigeren Job, anstatt eine Herausforderung anzunehmen und auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Sie wollen sich nicht verheizen lassen und stellen im Zweifelsfall die Familie vor den Beruf.

Vielleicht sind Frauen, was die Job-Life-Balance angeht, ja auch einfach Vorreiterinnen?

Eindeutig, das sind sie. Denn in der Gesamtentwicklung werden wir langfristig sehen: Die 70-, 80-Stundenwoche-Karriere, die null Raum für anderes im Leben lässt, verliert zunehmend ihren Reiz. Bei Frauen ist dies schon lange so. Langsam denken nun aber auch die Männer um. Vor allem die junge Männergeneration gleicht sich hier an. So oder so: Unternehmen werden nicht drum herum kommen, alternative Modelle zu implementieren. Bisher ist alles, was in diese Richtung geht, nur Augenwischerei.

Zur Person:

*Christian M. Böhnke ist Managing Partner von Hunting Her, der weltweit führenden Personalberatung für weibliche Topmanager und High Potentials. Neben ihrem Hauptsitz in Hamburg hat die Agentur u.a. eine Niederlassung in Zürich.

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