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«Nie im Leben hätte dies ein Mann gesagt!»

27.01.18

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Beim Sprechen verharren wir oft in geschlechterspezifischen Sprachmustern – gerade was die Führungsrhetorik angeht. Was Frauen und Männer dabei voneinander lernen können, erzählt Kommunikationsspezialistin Marianne Gerber* im Interview.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Frau Gerber, unsere westliche Redekultur, allem voran die Führungsrhetorik, ist männlich geprägt – also tendenziell faktenorientiert, sachlich, konfrontativ. Teilen Sie diesen Eindruck?

Im Beruf überwiegt immer noch eine männliche Rhetorik, das ist richtig. Allerdings sind Männer heute sensibler für Sprachmuster der Frauen. So sind sie sich eher bewusst, dass Frauen mit ihrer Rhetorik mehr Wirkung erzielen – weil sie anschaulicher ist und Emotionen zulässt.

Weibliche Gesprächsmuster sind also auf dem Vormarsch?

Es kommt auf den Typ Mann an – «die Männer» und «die Frauen» gibt es nicht. Aber denken Sie nur mal an Donald Trump – dieser benutzt überhaupt keine weiblichen Sprachelemente. Stattdessen verkörpert er alles, was für das Gegenteil einfühlsamer Rhetorik steht und mischt auf, was wir mit eher weiblich assoziieren: Zugang, Respekt, Rücksichtnahme, auf Gemeinschaft setzen. Obama war da ganz anders. Er ging sehr auf sein Gegenüber ein und konnte gut zuhören.

Kommunizieren Frauen besser?

Nicht besser, aber anders. Sie bedienen sich eher einer beziehungsorientierten Sprache, wollen im Gespräch bleiben, stellen viele Fragen; ihnen geht es um die Interaktion. Männer hingegen sind viel direkter im Sprachstil, orientieren sich auch beim Reden oft an Status und Macht, suchen Wettbewerbsvorteile und reden um des Informationsgewinnes willen.

Noch während ihr Gegenüber spricht, glauben Männer oft zu wissen, was dieses sagen will.

Was können Männer von Frauen lernen?

Das Zuhören. Hier haben viele Nachholbedarf. Noch während ihr Gegenüber spricht, glauben Männer oft zu wissen, was dieses sagen will und fallen ihm ins Wort. Oder die Sensibilisierung auf Zwischentöne, um die oftmals indirekte Sprache der Frauen mitzubekommen und zu interpretieren. Denn Frauen sagen häufig nicht klar, was sie wollen, und glauben, der andere wisse schon, was sie meinten. Sie tendieren dazu, sich hinter Äusserungen wie «Wollen wir nicht?» oder «Lass uns doch» zu verstecken, anstatt Klartext zu reden.

Was sollten sich Frauen umgekehrt bei Männern abschauen?

Das direkte Reden! Alles andere bringt ihnen im Beruf Nachteile. Etwa bei Lohnverhandlungen selbstbewusst kommunizieren. Männer sind hier viel selbstsicherer und fordernder, während Frauen sich zurückhaltender geben oder sich sogar kleinmachen. Kürzlich habe ich eine Frau erlebt, die vor dem Kader das Buchhaltungsergebnis präsentierte. Sie machte dies hervorragend, beendete ihren Vortrag jedoch mit: «Falls jemand noch einen Fehler findet, kann er sich gerne melden.» Ein völlig unnötiger Schluss. Nie im Leben hätte dies ein Mann gesagt!

Frauen entschuldigen und rechtfertigen sich grundlos.

Sie meinen, Frauen werten sich oft selbst ab?

Genau. Sie sagen zum Beispiel: «15 Jahre lang war ich nur für die Kinder da» anstatt «15 Jahre lang habe ich eine herausfordernde Aufgabe gestemmt.» Oder sie entschuldigen sich grundlos, begründen und rechtfertigen sich, wo es nicht nötig ist – während Männer einfach nur «nein» sagen. Frauen verwenden auch oft den Konjunktiv, reden von «hätte», «wollte», «könnte», wo Männer klar sagen: «Ich habe», «Ich will«, «Ich kann». Während Frauen oft von «ich» und «wir» reden, auch eher Fehler zugeben, verstecken sich Männer eher hinter dem unbestimmten «man». Dies, um sich abzugrenzen oder nicht direkt Verantwortung für das Gesagte tragen zu müssen.

Was braucht es also?
Es braucht vor allem mehr Sensibilisierung für zwei sehr unterschiedliche Sprachstile. Männer reden eher über Sachthemen und Rationales und tendieren zur Berichtssprache. Frauen wiederum reden über Beziehungen, suchen in Gesprächen Bestätigung und Übereinstimmung und sprechen daher eine Beziehungssprache. Anders gesagt: Frauen wollen einfach über etwas reden. Männer dagegen haben dann oft das Gefühl, sie müssten pfannenfertige Lösungen liefern – während es Frauen nur um den Austausch geht. Männer jedoch verstehen häufig den Ansatz des «nur darüber reden Wollens, ohne eine Lösung zu suchen» nicht.

Wie entkommen wir dem?

Es geht darum, voneinander zu profitieren, indem wir erkennen, in welcher Situation Klartext gefragt ist und wann Zuhören. Setzen wir im richtigen Moment die passenden weiblichen oder männlichen Sprachmuster ein, sind wir auf dem Weg zu einer gemeinsamen Erfolgssprache.


Zur Person
*Marianne Gerber ist Inhaberin der plc professional communications GmbH in Zürich. Ihr Interesse gilt der mündlichen Kommunikation. Sie bietet firmeninterne Weiterbildungen in Sozialkompetenz und Genderfragen an. Ausserdem ist sie Sprach- und Bewegungspädagogin sowie Dozentin an einer Höheren Fachschule.

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