Themen Im Fokus
Wissen

«Vermischen Sie nicht positives und negatives Feedback.»

04.07.19

si_0dbb0ddc34b0d0b193fc64ec2aec30e9.img

Kritik zu äussern, fällt den meisten Menschen schwer. Wie sich im Geschäftsalltag schwierige Gespräche dennoch erfolgreich führen lassen, weiss Business-Coach Katrin Schubert*.


Redaktion/Interview: Textagentur etextera

Frau Schubert, ob in kurzen Meetings oder in ausführlichen Jahresgesprächen: Wir tun uns meistens schwer, negatives Feedback zu geben. Weshalb?
Weil wir Angst vor Zurückweisung haben, fürchten, missverstanden zu werden, oder glauben, die Beziehung könnte sich dadurch verschlechtern.

Wie übt man richtig Kritik?
Das kommt darauf an. Bei spontanen Situationen auf dem Flur oder im Meeting muss man schnell reagieren, Vorbereitung ist in der Regel nicht möglich. Steht jedoch zum Beispiel ein geplantes Jahresgespräch an, bei dem kritische Punkte angesprochen werden sollten, ist es sinnvoll, sich im Vorfeld Gedanken darüber zu machen. Die meisten sind jedoch überzeugt: «Das geht schon irgendwie» – was ein Trugschluss ist.

Wie sollte man sich auf solch ein Gespräch vorbereiten?
Wir haben dafür eine Checkliste erarbeitet, die ich auch in meinen Trainings nutze. Dazu gehört beispielsweise, sich zunächst zu überlegen, wie unangenehm mir das anstehende Gespräch auf einer Skala von 1 bis 10 ist. Dies hilft mir, das Ganze einzuordnen, und vielleicht stelle ich gar fest: «Ist ja gar nicht so schlimm, auf der Skala würde ich es bei der 5 einreihen.» Ausserdem sollte ich mir überlegen: Was ist das Minimalziel, das ich in diesem Gespräch anstrebe, was das Maximalziel, und was soll danach auf der Beziehungsebene passieren? Dies macht mir das Ziel der Konversation deutlich und ist die Grundlage für ein erfolgreiches Gespräch.

Oft äussern wir allerdings lange Zeit keine Kritik und schlucken alles runter.
Genau. Und sagen wir dann endlich was, erwarten wir, dass das Gegenüber sofort etwas ändert – was jedoch illusorisch ist. Nicht, weil das Gegenüber nicht will, sondern weil wir alle Gewohnheitstiere sind. Meinen Workshop-Teilnehmenden sage ich immer: «Es braucht mindestens 60 Wiederholungen, um Gewohnheiten zu ändern – einmal Feedback zu geben, reicht da nicht.»

Wir müssen also 60-mal Feedback geben?
Das nun auch wieder nicht, aber wir sollten dem anderen Zeit lassen, damit er das, was wir wünschen, auch umsetzen kann. Hält er nach meinem Feedback dreimal pünktlich eine Deadline ein, beim vierten Mal aber wieder nicht, sollte man Letzteres nicht bemängeln, sondern lieber auf die ersten drei Male der positiven Veränderung eingehen – im Sinne von: «Super, dass Sie die Deadline eingehalten haben!»

Wie kann ich mich sonst noch auf ein Gespräch mit negativem Feedback vorbereiten?
Überlegen Sie sich ein bis zwei Adjektive, wie Sie von Ihrem Gesprächspartner wahrgenommen werden möchten. Also etwa «professionell» und «sicher». Fragen Sie sich: Wie kann ich solch eine Wahrnehmung konkret erreichen, beispielsweise mit einer guten Körperhaltung und mit Augenkontakt? Dann gehen Sie so in das Gespräch. Machen Sie sich ausserdem im Vorfeld Gedanken darüber, was für ein Typ Ihr Gegenüber ist. Oft sagen wir nach schwierigen Gesprächen: «War ja klar, dass er sich so verhält», und wir fühlen uns hilflos. Überlege ich mir jedoch vorher, was ich machen werde, wenn er mich nach dem dritten Satz unterbricht, kann ich darauf reagieren und fühle mich dadurch besser.

Manchmal fallen einem die Argumente allerdings erst hinterher ein.
Deshalb ist es so wichtig, bereits im Vorfeld zu überlegen: Welche Themen will ich auf jeden Fall auf den Tisch bringen? Im Gespräch selbst sind wir womöglich gestresst, das Hirn kann nicht mehr logisch denken; wir sind blockiert, und uns fällt nichts Schlaues ein. Umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung. Dabei können Sie ruhig auch mal die Sätze laut vor sich hin sprechen, die Sie später sagen wollen. Gehen wir das Ganze nur in unserem Kopf durch, machen wir es oft viel zu kompliziert.

Und wie verhält es sich in spontanen Situationen, in denen ich Kritik üben möchte?
Bringen Sie zunächst kurz und prägnant ein Beispiel für das, was Sie stört. Etwa: «Gestern zum Meeting kamen Sie 15 Minuten zu spät – das dritte Mal in letzter Zeit.» Senden Sie also eine Ich-Botschaft, anstatt verallgemeinernd zu sagen: «Sie kommen immer zu spät.» Dann kann Ihr Gegenüber nichts entgegenhalten. Als Nächstes zeigen Sie eine Konsequenz auf («Ich muss dann jeweils wieder von vorne anfangen»), gefolgt von einer Beschreibung, wie Sie sich dabei fühlen («Das ärgert mich»). Je nach Hierarchieverhältnis können Sie im nächsten Schritt Ihren Wunsch oder eine Erwartung äussern. Also etwa: «Ich würde mir wünschen, dass Sie nächstes Mal pünktlich sind.» Oder wenn Sie dies schon öfters thematisiert haben und die Vorgesetzte sind: «Ich erwarte, dass ...» Je nach Situation lässt sich vor den Wunsch aber auch noch ein weiterer Schritt einbauen.

Und der wäre?
Sie könnten dem Gegenüber Gelegenheit geben, sich zu erklären, und konkret fragen: «Was war los?» Es gibt aber Fälle, da interessiert mich der Grund nicht, dann übergehe ich diesen Schritt und komme direkt zu Wunsch und Erwartung. Was Sie generell beim Gespräch beachten sollten: Blickkontakt halten, zügig sprechen und gleich zur Sache kommen. Ich erlebe oft in Trainings, dass Teilnehmende ganz viel drum herum reden. Bleiben Sie stattdessen präzise und kurz! Und wenn Sie beginnen, sollten Sie sich über den eigenen Standpunkt im Klaren sein.

Wie meinen Sie das?
Sie müssen entscheiden: Spreche ich einen Kritikpunkt an oder nicht? Oft sagen wir nichts, weil wir die Beziehungsebene nicht stören wollen, ärgern uns später aber trotzdem weiter. Ich bin nicht der Meinung, dass man unbedingt immer alles ansprechen muss. Aber entscheide ich mich, nichts zu sagen, muss ich auch dazu stehen und darf mich nicht weiter ärgern. Sonst ist das, wie einen Becher Gift zu trinken und zu hoffen, dass der andere daran stirbt.

Stimmt es, dass man beim Kritisieren die sogenannte Sandwich-Strategie vermeiden, also Kritik nicht zwischen zwei lobenden Rückmeldungen verstecken sollte?
Ja, unbedingt! In den 80er- und 90er-Jahren wurde das zwar so gelehrt, aber auf diese Weise kommt Kritik nicht an, weil ich sie verniedliche. Es ist auch nicht gut, die Kritik am Schluss wieder aufzuheben, indem ich sage: «Es ärgert mich, dass Sie dauernd zu spät kommen. Aber sonst sind Sie eine tolle Mitarbeiterin.» Positives und negatives Feedback sollte man nicht miteinander verquicken.

Wie ist es grundsätzlich um die Feedbackkultur in Unternehmen bestellt?
Den meisten fällt es schwer, negatives Feedback zu geben – sowohl Mitarbeitenden als auch Führungskräften. Was aber interessant ist: Frage ich Workshop-Teilnehmende: «Werden Sie von Ihrer Führungskraft ausreichend gelobt und wertgeschätzt?», antworten die meisten: «Nein.» Frage ich aber Führungskräfte, ob sie ihre Mitarbeitenden ausreichend loben, sagen sie: «Ja.» Es gibt also eine deutliche Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild! Und erstaunlicherweise fallen beide Formen von Feedbackgeben schwer – positives wie negatives.


Zur Person
*Katrin Schubert ist zertifizierter Business Coach by MY24COACH.COM und Geschäftsführerin von Schubert & Partner Consulting. Sie berät Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland.

PS: Warum selber machen, wenn es Profis gibt? etextera unterstützt Sie beim Texten, Gestalten und Umsetzen Ihrer Kommunikationsprojekte. Sprechen Sie mit uns.