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«Für Schlagfertigkeit braucht es Mut zur Zicke.»

01.06.20


Schon Marc Twain wusste: «Schlagfertig ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.» Doch was lässt sich daran ändern? Rhetorikprofessorin und Coach Gunhild Hinkelmann über Barrieren im Kopf, die nötige Portion Gelassenheit und Donald Trump.


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Frau Hinkelmann, lässt sich Schlagfertigkeit lernen?
Natürlich gibt es Leute, die von Haus aus schlagfertig sind. Aber es lässt sich auch lernen. Ich zum Beispiel war als Jugendliche eher schüchtern. Doch als ich im Beruf ins kalte Wasser geworfen wurde, merkte ich: «Das kann ich auch!» Das Gefühl zu haben, nicht schlagfertig zu sein, ist übrigens bei Frauen stärker verbreitet als bei Männern.

Weshalb?
Wir Frauen haben immer diese Barriere im Kopf: «Was denken die anderen über mich?» Dadurch verlieren wir Zeit bei schlagfertigen Reaktionen. Wir lassen uns leichter bluffen, sehen uns selbst oft zu kritisch und wollen von allen gemocht werden. Doch für Schlagfertigkeit muss man in Kauf nehmen, dass andere einen blöd finden. Kurz: Es braucht Mut zur Zicke.

Wieso ist es von Vorteil, schlagfertig zu sein?
Weil sich unser Selbstbewusstsein dadurch bessert und wir uns profilieren. Jasager finden alle nett, Respekt aber zollen wir den Schlagfertigen. Dazu gehört übrigens nicht, immer das letzte Wort haben zu müssen. Vielmehr ist es meine persönliche Entscheidung, ob und wann ich meine Meinung kundtue. Schlagfertig kann auch sein, etwas zu überhören oder auf einen Kommentar nicht zu reagieren. In meinen Seminaren speziell für Frauen fällt mir auf, dass die meisten glauben, sich immer angesprochen fühlen zu müssen. Dabei liegt die Entscheidung einzig und allein bei mir. Reagiere ich, ist es wichtig, dies nicht auf der Gefühlsebene zu tun – das wirkt unsouverän. Schlagfertigkeit braucht Gelassenheit.

Der grösste Feind einer schlagfertigen Reaktion ist unser Gehirn

Wie stelle ich das Ganze also an?
Neben konkreten Werkzeugen ist zunächst die richtige Einstellung nötig: Sie müssen sich und Ihre Bedürfnisse ernst nehmen, sich trauen zu widersprechen. Der grösste Feind einer schlagfertigen Reaktion ist unser eigenes Gehirn. Insbesondere Frauen überlegen oft zu lange, wie ein Kommentar bei anderen ankommen könnte. Damit blockieren sie sich jedoch selbst.

Was tue ich, falls dies passiert?
Dann sollten Sie die negative Erfahrung durch ein positives Bild ersetzen. Spielen Sie die Situation wie einen Film nochmal vor Ihrem inneren Auge ab, und überlegen Sie konkret: Wie will ich nächstes Mal reagieren? Was könnte ich besser machen? Je genauer Sie sich das vorstellen, desto besser klappt es in Zukunft.

Aber die Situationen sind doch immer unterschiedlich.
Mag sein, doch die Muster bleiben die gleichen. Es geht vor allem darum, es sich selbst zuzutrauen. Diese Einstellung im Kopf lässt sich trainieren. Stempeln Sie eine schlechte Erfahrung also nicht ab als «Ich kann das nicht», sondern als «Nächstes Mal klappts».

Auf der Sachebene bleiben, nicht rechtfertigen

Welches sind denn nun die Werkzeuge, um schlagfertig zu reagieren?
Dazu gehört zum Beispiel, Angriffe oder Manipulationen zu durchschauen. Beginnt in einer Sitzung jemand einen Einwand mit «Jeder vernünftige Mensch weiss doch …», muss Ihnen klar sein, dass dies polemische Taktik ist. Haben Sie das durchschaut, lässt sich etwa so kontern: «Gerade weil ich ein vernünftiger Mensch bin, finde ich …» Generell ist es wichtig, auf der Sachebene zu bleiben, Einwände oder Kommentare nicht auf sich persönlich zu beziehen und auch nicht auf dieser Schiene zu reagieren – denn das wirkt schnell aggressiv und beleidigt. Denken Sie an Donald Trump, dann wissen Sie, wie Sie es besser nicht machen.

Angenommen, der Chef sagt: «Der Auftrag ist ja immer noch nicht erledigt.» Wie reagiere ich darauf?
Auf der Beziehungsebene mögen Sie vielleicht einen unterschwelligen Vorwurf hören, im Sinne von «Sie sind aber langsam!» Doch auch hier gilt: Bleiben Sie auf der Sach- oder Selbstoffenbarungsebene: Was sagt das Gegenüber über die Sache oder über sich selbst? Dann klingt das Ganze eher wie: «Der Auftrag ist dringend» oder «Ich habe es eilig». Spielen Sie zunächst den Ball zurück, und fragen Sie: «Verstehe ich das richtig, soll der Auftrag bevorzugt behandelt werden?» oder «Sind Sie in Eile?» Dies gibt dem Chef Gelegenheit zu präzisieren, und Sie gewinnen Zeit. Anderes Beispiel: Ihr Gegenüber sagt: «Das ist mal wieder typisch Mann/Frau!» Darauf lässt sich auf Beziehungsebene beleidigt reagieren («Typisch Macho!»), was allerdings nur billige Schlagfertigkeit ist. Oder Sie bleiben auf der Sachebene und antworten: «Sie haben wohl ein bestimmtes Bild von Männern/Frauen – meine Erfahrungen sind andere» und lösen die Situation so auf.

Wir sollten uns in solchen Situationen also nicht rechtfertigen?
Genau. Fokussieren Sie nicht auf «Was sagt mein Gegenüber über mich?», sondern auf «Was sagt er über sich?», damit lässt sich arbeiten. Auch Humor ist ein wichtiges Werkzeug. Und vor allem nicht auf alles eingehen, stattdessen Dinge bewusst überhören und stehen lassen. Wobei es natürlich auf die Situation ankommt: Kritik im beruflichen Umfeld lässt sich nicht einfach weglächeln. Hier gilt es, den Ball zurückzuspielen, Zeit zu gewinnen und nachzuvollziehen, was der andere meint. Dabei auf Körpersprache achten: locker bleiben, tief durchatmen. Mit ein klein wenig Routine ist das gar nicht so schwer.

 

Zur Person
*Gunhild Hinkelmann, Inhaberin von Fair Communication ist ausgebildete PR-Beraterin (DPRG), Image Consultant und zertifizierter Coach (GPI). Seit 25 Jahren unterrichtet sie als Professorin für Kommunikation und Rhetorik an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Wirtschaft in Brugg. Dort begleitet sie Studierende auch als Coach in Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation.

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