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«Beim mobilen Arbeiten ist Feedback essenziell»

09.03.21


Ist räumliche Nähe nicht gegeben, weil Mitarbeitende und CEO im Homeoffice sind, muss Leadership virtuell stattfinden. Wie dabei informeller Austausch noch möglich ist, erzählt Miriam Baumgärtner*, Expertin für Digitalisierung und Flexibilisierung.


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Frau Baumgärtner, Corona hat den Trend zum mobilen Arbeiten verstärkt. Tatsächlich stellen viele Studien dem Homeoffice ein gutes Zeugnis aus. Wie bewerten Sie diese Arbeitsform?
Lassen wir die momentanen Bedingungen aufgrund der Pandemie für einen Moment ausser Acht, mit Zwangs-Homeoffice, Doppelbelastung durch Homeschooling und viele andere Aufgaben. Gehen wir also von frei gewähltem Homeoffice aus, dann zeigen sich tatsächlich viele Vorteile. Die grösste Stärke dieser Arbeitsform ist die örtliche und zeitliche Flexibilität. Am Center for Disability and Integration an der Universität St. Gallen führen wir seit dem Jahr 2016 Studien durch zu diesem Thema. Dabei zeigt sich ganz klar: Flexibilisierung wirkt sich positiv auf Arbeitnehmende aus. Sie haben weniger Stress, weil der Arbeitsweg wegfällt, sie ihre Zeit frei einteilen und individualisiert arbeiten können.

Welches sind die Nachteile?
Die Flexibilität ist gleichzeitig ein Risiko, weil sie hohe Anforderungen an die Selbstdisziplin stellt – die von der Persönlichkeit abhängt, aber auch von Selbststeuerungskompetenzen wie der Priorisierung. Die Frage ist: Schaffe ich es, mich zu Hause abzugrenzen – von der Arbeit genauso wie auch vom Privaten? Aber auch: Kann ich nach Arbeitsschluss wirklich abschalten? Grenzmanagementstrategien sind hier wichtig. Dazu gehört beispielsweise festzulegen, wann ich arbeite und wann nicht. Gleichzeitig sollte ich auch kommunizieren, wann ich erreichbar bin – für Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen genauso wie für die Familie.

Der persönliche Austausch bleibt auf der Strecke

Für eine gerade veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation wurden 5000 Arbeitnehmende gefragt: Was vermissen Sie im Homeoffice am meisten? Die häufigste Antwort lautete: den informellen Austausch.
Das ist tatsächlich ein Problem. Natürlich gibt es auch online Möglichkeiten, um das Zusammengehörigkeitsgefühl eines Teams zu stärken. Gerade in den letzten Monaten wurden da viele Unternehmen sehr kreativ – mit virtuellen Wine-Tastings nach Feierabend zum Beispiel, oder gemeinsamen Team Work-outs vor der Kamera und ganz simplen «Lass uns mal schnell per Zoom zusammen einen Kaffee trinken»-Verabredungen. Allerdings: Nach einem Tag voller Videokonferenzen wollen viele ihre Freizeit nicht auch noch vor dem Bildschirm verbringen. Was bleibt, ist deshalb die Erkenntnis: Dank Technik klappt die Umstellung auf mobiles Arbeiten einwandfrei. Auf der Strecke bleibt jedoch der persönliche Austausch von Angesicht zu Angesicht, der vor Ort ja häufig spontan entsteht. Auch Emotionen, das direkte Gefühl für andere, fehlen. Hier zeigen sich ganz klar die Grenzen der digitalen Welt.

Weshalb ist informeller Austausch so wichtig?
Wir Menschen sind nun mal soziale Wesen. Informelle Gespräche schaffen Vertrauen und Verbindlichkeit zwischen Angestellten und helfen letztlich Unternehmen, gut zu funktionieren. Small Talk signalisiert: Ich interessiere mich für dich. Nur im persönlichen Austausch wird ausserdem implizites Wissen weitergegeben, was wiederum die Innovationskraft deutlich steigert. Umso wichtiger ist im Homeoffice die Rolle der Führungskraft.

Wie meinen Sie das?
Beim mobilen Arbeiten ist Feedback essenziell. Um Mitarbeitende über virtuelle Kanäle wirklich zu erreichen und mitzunehmen, muss die Führungskraft noch besser wissen, wie es Teammitgliedern geht. Eins-zu-eins-Meetings sind bei dieser Form des Arbeitens deshalb wichtig, etwa einmal die Woche für zehn Minuten. Denkbar ist auch ein gemeinsamer Check-in am Morgen: Das Team trifft sich mit einem Kaffee in der Hand virtuell zu einer kurzen Runde, und jeder sagt, was er an diesem Arbeitstag geplant hat. Das Gleiche lässt sich abends wiederholen, um gemeinsam in den Feierabend zu starten.

Kamera an!

Worauf sollte man bei Videokonferenzen achten?
Je grösser die Gruppe, desto schwieriger gestalten sich virtuelle Meetings. Deshalb gilt es zu hinterfragen: Wer muss wirklich alles dabei sein? Hilfreich ist dabei die Regel: Wer nicht unmittelbar vom Resultat der Videokonferenz betroffen ist, braucht nicht teilzunehmen. Ausserdem sollten auf jeden Fall alle die Kamera angestellt haben, so sieht man zumindest die Mimik der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner. Leider geschieht dies in der Realität noch zu wenig. Ansonsten gilt: Eher kürzer halten und sich auf die wichtigsten Kernpunkte konzentrieren.

Wie wichtig sind dabei nonverbale Signale der Teilnehmenden? Ist es nötig, viel zu nicken und die Augenbrauen hochzuziehen?
Prinzipiell schon, ja. Allerdings zeigen Studien, dass es aufgrund der wenigen Sekunden Zeitverzögerung für Teilnehmende oft schwer ist, solche Hinweisreize richtig einzuordnen. Es kann auch komisch wirken, wenn Sie zu einem Beitrag noch am Nicken sind, obwohl es bereits um ein anderes Thema geht. Generell reicht es, wenn jemand die Kamera überhaupt aktiviert hat, um zu sehen, ob diese Person präsent ist.

Wie ist Ihre Prognose: Wird sich das Homeoffice langfristig durchsetzen?
Eher ein Hybridmodell, also eine Mischung aus Arbeiten vor Ort und Homeoffice. Tatsächlich lassen sich viele Dinge zu Hause besser erledigen, vor allem, wenn es um konzentrierte Arbeit geht. Für Diskussionen und Wissensaustausch wiederum ist es wichtig, dass alle in einem Raum anwesend sind. Als Erstes braucht es allerdings eine andere Bewertung von Arbeit, einen Wandel in der Unternehmenskultur: Wir müssen endlich wegkommen von der Präsenzkultur – in der nur zählt, wie lange ich im Büro sitze – hin zur Ergebniskultur, bei der das Arbeitsergebnis im Fokus steht.

 

Zur Person
*Dr. Miriam Baumgärtner ist Wissenschaftliche Projektleiterin am Center for Disability and Integration an der Universität St. Gallen und erforscht unter anderem die Wirkung von mobilem Arbeiten.

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